01 Okt Ansprache Jani Oswald (Eröffnung Kulturwoche 2018)
Spoštovane dame in gospodje, častni gostje,
sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Festgäste
v imenu Slovenske prosvetne zveze vas ob otvoritvi 24.ega Slovenskega kulturnega tedna danes zvečer v Suhi v Podjuni prav lepo pozdravljam. Ta niz prireditev s pestrim programom najrazličnejših kulturnih ustvarjalcev, namenjena predvsem nemško govorečim sodeželanom, je postala lepa tradicija in stalnica v koroškem kulturnem koledarju in prav razveseljivo je, da je iz leta v leto deležna vse večje pozornosti.
Slovenski obiskovalci današnjega večera mi boste oprostili, da se bom glede na ciljno publiko obračal na vas predvsem v nemškem jeziku, ne upoštevajoč, da je sicer naša špraha kajpada weltšpraha, vendar nisem prepričan, ali so se je tudi vsi navzoči v zadostni meri naučili, kljub vseh mogočih konsenznih skupin in delovnih krožkov dobrega sosedovanja, zatorej: ich begrüße Sie im Namen des Slowenischen Kulturverbandes SPZ zur diesjährigen Kulturwoche und es freut mich persönlich ganz besonders, dass ich heute anlässlich der Eröffnung der 24. Folge dieser Traditionsveranstaltung einige Geanken mit Ihnen teilen darf!
Als Ausgangspunkt meiner kurzen Überlegungen möchte ich dabei die vielfach gemachte Feststellung nehmen, wonach sich die Volksgruppenproblematik in Kärnten endlich deutlich entspannt hat. Die nationalistischen Fronten in der Jahrzehnte andauernden Provinzposse um Ortstafeln und kulturelle Grenzziehungen sind weitgehend überwunden, obsolet geworden, erscheinen nachträglich absurd, alte Gräben zwischen den Volksgruppen wurden vorerst einmal zugeschüttet. Wir freuen uns alle darüber.
Der Deutschnationalismus im Land hat zweifellos abgenommen, ich frage mich freilich, ob seine Betreiber dazugelernt haben? Und wenn ja, was? Es ist zu hoffen, sie haben nicht nur gelernt leiser zu treten und auf bessere Gelegenheiten zu warten.
Hat sich auf der anderen Seite die in sich gekehrte Volksgruppe geöffnet, sich endlich ent-puppt, wurde die manch Einem lästige kleine Raupe Nimmersatt wenn schon nicht zum allseits bewunderten Schmetterling, so doch zu einem auch für Nicht-Angehörige interessanten Organismus oder befindet sie sich weiter am Weg zur musealen Größe, falls man dieses Wort für eine zahlenmäßig kleine Minderheit überhaupt strapazieren darf?
Haben sich die Verhältnisse also nachhaltig geändert oder haben sich lediglich die Perspektiven der einstigen sogenannten Gegner verschoben und sind dabei ihre Standpunkte mehr oder weniger gleich geblieben, freilich unter Umbenennung der jeweiligen wechselseitigen Parolen?
Beides scheint denkbar.
Vielleicht hilft zur leichteren Orientierung und besserem Überblick ein kleiner Blick: südwärts in den AlpenAdria-Raum.
Fuhr man vor 25 Jahren nach Friaul, zeigte sich dessen Hauptstadt stolz als »Udine« und nichts weiter. Einige Jahre später gab es auf der Ortstafel verschämt ein klein hinzugefügtes »Udin«, im Größenverhältnis an die seinerzeit berüchtigte Bleibug/Pliberk-Ortstafel unweit von hier erinnernd, die der damalige, nunmehr selige unselige Landeshauptmann und sein Verkehrslandesrat, dem später gerichtlich die Fähigkeit aberkannt wurde, Konsequenzen seines eigenen Handelns abzuschätzen, als öffentliche Gaudi um einige Meter versetzten.
Heute, ganz ohne Spaß: »Udine / Udin«, gleichrangig und gleich groß nebeneinander. Ebenso die vielen zweisprachigen Wegweiser im Collio, ebenso die Autobahnabzweigungen auf dem Weg nach Triest und dortselbst mancherorts zweisprachige topografische Aufschriften italienisch / slowenisch – das alles trotz der noch subkutan weiterglosenden irridentistischen Traditionen in dieser Gegend, beachtlich!
Beachtenswert übrigens auch, dass es im Friaul niemandem einfallen würde, als Beifügung zur örtlichen Zweisprachigkeit noch eine Sprache des Nachbarlandes hinzuzufügen, wie das in Kärnten mit dem Italienischen zuweilen in Mode gekommen ist; ich denke wir brauchen keine Alpen-Adria Camouflage, aber das ist eine andere Geschichte…
Was mich heute mehr interessiert ist die Frage: Wer war, neben der Mindeheit selbst, eine der treibenden Kräfte für die Wiederbelebung des Friulanischen und dessen Präsenz im öffentlichen Raum? Es war die Lega Nord mit ihrem Lokalsprachenkonzept! Eine Wegbereiterin der Multikulturalität? Dieselbe Lega Nord, die sich vehement gegen Immigration, gegen den solidarischen Sozialausgleich zwischen dem italienischen Norden und Süden ausspricht, dieselbe Lega, die ständig durch antieuropäische, xenophobe und rechtsnationalistische Sprüche auffällt…! Das klingt vielleicht ein wenig verwirrend.
Blicken wir der Servus-Srečno-Ciao-Route weiter folgend nach Ljubljana, erblicken wir dort eine nicht unbeträchtliche nationalistische Strömung, ebenso gegen jegliche Spielarten von Multikulturalität gerichtet, gegen Immigration, gegen kulturelle Pluralität, antifeministisch, versteht sich, nicht zufällig von Viktor Orbans Partei aus Ungarn mitfinanziert, gegen eine offene Zivilgesellschaft gerichtet, gegen alles Ex-Jugoslawische, aber gar nicht deutschfeindlich, wie man es von slowenischen Nationalisten vielleicht denken würde oder gar antiösterreichisch, obwohl aus ihren Reihen traditionell besonders starke Unterstützer der Anliegen der Kärntner Slowenen kommen, handelt es sich bei Kärnten doch um die historische Wiege des Slowenentums, die es hochzuhalten gelte.
Ein weiterer Widerspruch oder haben wir Kärntner Slowenen einfach nur die falschen Freunde?
Und wenn wir schließlich zumindestens noch mit dem rechten Auge kurz zur österreichischen Bundespolitik schielen, sehen wir immerhin in der Regierung eine Partei am Ruder (oder besser gesagt am Rudern), die sich als besonders »österreichisch« und heimatlich, will heißen Brüssel-feindlich, hervortut, eine Partei, deren Repräsentanten noch vor 25 Jahren die österreichische Nation als Missgeburt bezeichneten, eine Partei, die aufgrund ihrer bis in den Nationalsozialismus reichenden personellen Wurzeln traditionell antikirchlich ausgerichtet war, heute scheinbar staatstragend, vermeintlich die Werte des christlichen Abendlands verteidigend…
Passt das alles zusammen?
Schon der oberflächliche Rundblick zeigt, dass sich tatsächlich die Perspektive verschoben zu haben scheint. Der Raum ist offenbar ein anderer geworden. Die Standpunkte der einzelnen Protagonisten in diesem veränderten öffentlichen Raum gilt es neu zu verorten. Das ist bekanntlich eine besondere Domäne der Historiker und Politikwissenschaftler. Oft helfen uns beim Öffnen der Augen und Erweitern der Sinne – auch des politischen Raumverständnisses – aber noch mehr die Kulturschaffenden mit ihrer Intiution und ihren gelegentlich unorthodoxen Zugängen, sofern sie sich einem gesellschaftsbezogenen Kulturverständnis verpflichtet fühlen. Oder es hilft einfach nur der Hausverstand – man kennt schließlich seine Pappenheimer…
Zurück zu den Kulturschaffenden: im diesjährigen Programm findet sich eine Reihe Auftretender, die die Dinge beim Namen nennen, uns die Augen und Herzen öffnen und keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, auf welcher Seite sie stehen – als pars pro toto sei nur der der Frauenchor des SPD Rož mit seinem Multimediaprogramm Shiva šiva genannt.
Und so sollte es uns schließlich nicht sehr schwer fallen, trotz aller Perspektivenverschiebungen zu erkennen, dass viele noch immer dort stehen, wo sie immer standen: Demokraten, Antidemokraten, Progressive, Reaktionäre, Nationalisten, Internationalisten, Freidenker, Dogmatiker, Philanthropen, Misanthropen – oder in heutiger, geläufigerer Terminologie: Europäer, Antieuropäer, Separatisten, Populisten, Idealisten und die ewigen Spielverderber Realisten.
Diesem veränderten öffentlichen Raum oder sagen wir lieber: dem veränderten gesellschaftlichen Diskurs ist es wohl in erster Linie zu verdanken, dass dem kleinlichen Kärntner Nationalitätenstreit während der letzten Jahre zunehmend die Luft ausging. Aber wir sollten uns damit nicht zufrieden geben. Im größeren Raum, der auch für uns heute Abend in Suha/Neuhaus kein virtueller Raum sein sollte, geht es zwar derzeit um Themen von vielleicht größerem Ausmaß, an denen sich die Geister scheiden: »Anlandeplattformen« in Lybien, Balkanrouten selbst wo es keinen Balkan gibt, europäischer Zusammenhalt ja oder nein, Pressefreiheit, Menschenrechte…, und es sind Themen, die uns allesamt sehr wohl betreffen.
Was heißt das für die slowenische Volksgruppe in Kärnten? Erinnern wir uns, dass vor nicht allzulanger Zeit die sogenannte Slowenenfrage, publik gemacht durch verschiedene Solidaritätskommittees in beinahe allen Bundesländern, eine wichtige Frage für die allgemeine demokratischen Bewegung in Österreich darstellte. Sie war integrativer Bestandteil des Forderungskataloges der – wir würden heute sagen: Zivilgesellschaft.
Wäre es denn es nicht die Verpflichtung der slowenischen politischen und kulturellen Organisationen gewesen zB gerade jetzt die Stimme zu erheben, wenn etwa die Pressefreiheit durch obskure Mails aus dem Innenministerium unterminiert wird, um einen aktuellen Fall der letzten Tage aufzugreifen? Wo waren die slowenischen Funktionäre, die etwas dazu gesagt hätten? Haben sie geschwiegen, weil es nicht unmittelbar die eigene Volksgruppe betrifft? Man möge bitte ein wenig weiter denken: heute sollen, wenn es nach einigen Herrschaften ginge, Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsstatus von bereits Verdächtigen(!) aktiv an ausgewählte Medien kommuniziert werden, morgen sind es möglicherweise das Religionsbekenntnis und die ethnische Zugehörigkeit – wann und wie war das schnell mit den Juden und Roma und…?… ich will hier bewußt unsere Phantasie nicht weiter strapazieren, die Angelegenheit ist auch für den Bundespräsidenten bereits abgehakt, denn der Innenminister, führender Kopf des erwähnten Rudervereins, hat zurückgerudert.
Eines freilich ist klar: wer Solidarität erwartet, und sie wie am Beispiel der jüngeren Geschichte der Kärntner Slowenen erfahren hat, sollte sie auch aktiv erwidern, selbst wenn es – noch – nicht um die eigenen unmittelbaren Interessen geht.
Und so sage ich offiziell im Namen des Slowenischen Kulturverbandes SPZ, völlig unabgesprochen und mit keinem seiner Funktionäre abgestimmt: jeden Versuch der Aushöhlung unserer demokratischen Grundwerte, wie zB die Presse- und Informationsfreiheit, jeden Versuch einer subtilen oder offenen Hetze gegen Menschen welcher An- und Zugehörigkeit auch immer, verstehen wir als Angriff auf unsere eigene kulturelle, nationale und nicht zuletzt staatsbürgerliche Integrität. Wir verwehren uns dagegen, egal von welcher halb- oder ganz- oder unöffentlichen Stelle das kommt!
Sie werden sich sich jetzt vielleicht denken: aber das hat ja nichts mit Kultur zu tun. Und ob das mit Kultur zu tun hat!
Der Schriftsteller Bert Brecht – auch so ein Flüchtling, der später sogar den österreichischen Pass bekommen hat; der Kickl hätte das wohl niemals durchgehen lassen – dieser übliche Verdächtige hat bekanntlich gemeint, dass zuerst das Fressen und dann erst die Moral komme. In zugegebenermaßen weit hergeholter Analogie könnten wir sagen, dass zuerst das Menschenrecht kommt und dann erst die Musik. Und wenn man es uns nehmen sollte, werden wir es halt wieder herbeisingen, so wie es unsere Vorfahren mit ihren Widerstands- und Partisanenliedern getan haben. Ich wünsche uns ein schönes Konzert und eine interessante Kulturwoche, dragi rojaki! Dovolite da ob koncu svojega razmišljanja na kratko povzamem:
Naš kulturni prostor se nenehno spreminja in vprašanje razvoja evropskih avtohtonih manjšin je danes treba drugače ovrednotiti, ga umeščati v širšem družbenem kontekstu, zlasti v zvezi z vprašanjem migracije in nastajanju novih manjšin. To nas sili, da se opredelimo, na kateri strani družbenega dogajanja naj stojimo kot narodna skupnost, prav v smislu Očiščenja in pomlajenja, ki ga je zahteval pred stoletjem letos vsepovsod praznovani Ivan Cankar v Trstu. (Smo se mu dostojno poklonili tudi mi koroški Slovenci?) Navezujoč se na njegovo Pohujšanje v dolini Šentflorjanski si želim, da nas ne bi zavajali krivi preroki in slabo izbrani prijatelji. Usmerjajmo naše kulturne dejavnosti v raznolikost, odprtost, toleranco in spoštovanje človekovih pravic in dostojanstva, ne glede na to, kdo se proglaša kot naš zaveznik. Da se ne bi neki dan znašli na napačni strani zgodovine. Prav to si želim ob odprtju 24.ega Kulturnega tedna.
Hvala za vašo pozornost, danke für Ihre Aufmerksamkeit!