Aber lieber Josef Feldner …

[:de]Peter Gstettner

Eine neue Koalition balanciert am rechten Rand Kärntens. Eine Buchbesprechung nebst kritischen Anmerkungen zu einem fragwürdigen Dialog.

Das Buch ist die Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen Josef Feldner und Marjan Sturm, das von zwei Moderatoren, Wilfried Graf und Gudrun Kramer, gesteuert und von ihnen mit einem „Rahmen“ versehen wurde. Dieser Rahmen, der auf konflikttheoretischen Annahmen beruht, sollte sicherstellen, dass gewisse Themen angeschnitten und andere ausgeklammert werden und dass Intentionen wie „Verständigung“ bzw. „Versöhnung“ im Vordergrund stehen. Solche Intentionen sind für den „Kärntner Dialog“ typisch, da es in einer plakativen Form immer darum geht, nicht das Trennende sondern das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen. Davon war auch die „Konsensgruppe“ beseelt, die durch ihr Agieren politische Machtstrukturen eher zu- als aufdeckte. Ihr Motto hat Heinz Stritzl, Mentor der „Plattform Kärnten“, auf den Punkt gebracht: „Das Wühlen in der Vergangenheit versperrt den Weg in die gemeinsame Zukunft in Europa“. (Nachwort H.Stritzl, S. 252)

Die Moderatoren definieren eingangs die Rollen der Gesprächspartner, die sich in der Folge als eine wichtige Wir-Gruppe wahrnehmen werden. Feldner und Sturm unisono im Vorwort: „Wir als zwei der Hauptakteure des Konflikts zwischen deutschsprachiger Mehrheit und slowenischsprachiger Minderheit in den letzten Jahrzehnten“. Die Definition „Hauptakteure“ entspricht auch dem Titelbild am Buchumschlag. Sie wurde den beiden Rednern von den Moderatoren angetragen und Feldner/Sturm wissen daraus eine Synthese von zugeschriebener Wichtigkeit und männlichem Imponiergehabe zu formen.

Im Zusammenhang mit den zu erwartenden öffentlichen Reaktionen und dem Marketing für das Buch – mit einem Seitenblick auf die Bedeutungsverleihung durch die beiden Vorworte von bedeutenden Männern – schreiben sich die Redner eine staatstragende und weit über Kärnten hinaus reichende Ausstrahlung zu. Als zu den „politischen Eliten” gehörig hätten sie eine besondere „Verantwortung”. Sturm dazu: „Ich gehe davon aus, dass wir als Obmänner von zwei Organisationen mit unterschiedlicher Geschichte im 21. Jahrhundert haben die Aufgabe neue Akzente zu setzen” (S. 20). Offenbar handelt es sich dabei um eine großspurige „Selbstbeauftragung”, denn das 21. Jahrhundert ist ja noch nicht so alt.

Für wen sprechen die beiden „Dialogpartner“? Diese Frage wird im Gesprächsverlauf geklärt. Obwohl Feldner und Sturm sich in der Einleitung noch bescheiden, sie würden nur in „sehr subjektiver Weise“ ihre ganz persönlichen Überlegungen austauschen, stellt sich rasch heraus, dass Feldner für sich beansprucht, nicht nur als Obmann des „Kärntner Heimatdienstes“ (KHD) zu sprechen, sondern eigentlich für die Mehrheit der sog. Deutschkärntner. Sturm, der diesen Anspruch von Feldner nicht problematisiert, muss naturgemäß bescheidener sein. Seine Meinung sei „natürlich“ von der Grundposition des von ihm vertretenen Vereins „Zentralverband Slowenischer Organisationen“ (ZSO) beeinflusst.

Letztlich und das verdankt sich auch der Steuerung durch die Moderatoren, stilisieren sich die beiden Redner zu „Sprechern der einen bzw. der anderen Seite”, d. h., Sturm tritt als Sprecher der Kärntner Slowenen und Feldner als Sprecher der Deutschkärntner auf.

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Die Rede von den „beiden Seiten“ wird zu einer stehenden Floskel, mithilfe derer der Eindruck entstehen soll, zwei gesetzte Herren von bedeutsamen Vereinen würden den Kärntner Volksgruppenkonflikt diskutieren. Da ist z. B. die Rede von den Missverständnissen auf beiden Seiten, vom notwendigen Abbau von Feindbildern auf beiden Seiten, vom Schwarz-Weiß-Malen auf beiden Seiten, von den Wünschen, Ängsten und Forderungen auf beiden Seiten, von den Widersachern und Konfliktverursachern auf beiden Seiten, von den Verständigungsorientierten und den Unversöhnlichen auf beiden Seiten, von der Notwendigkeit der Toleranz und der Aufklärungsarbeit auf beiden Seiten usw.

Diese rhetorische Figur, die von vorneherein auf „ethnische Parität” und „Ausgleich” abzielt, wird von den Moderatoren auch zur Herausarbeitung von „kontroversen Positionen” verwendet. Feldner und Sturm übernehmen diesen Topos unreflektiert. Tatsächlich werden dadurch die komplexen Volksgruppenprobleme vereinfacht und die althergebrachten ethnisierenden Konfliktzuschreibungen gefestigt.

Zur Austragung wirklicher Kontroversen kommt es auch aus einem anderen Grund nicht. Die Redner haben ihre Standpunkte schon längst abgeklärt und verhalten sich schon seit Jahren „koalitionär“. Tatsächlich trug Sturm mit Feldner schon seit Jahren keine „Kontroversen“ mehr aus. In den letzten 30 Jahren waren die größten Gegenspieler des KHD in der deutschsprachigen Gruppe zu finden. In diesen deutschsprachigen „Helfershelfern“ und in deren guten Zugängen zum Wissenschaftsdiskurs und den Medien sah Feldner bis zuletzt auch die größte Bedrohung für die „Deutschkärntner Sache“. Sie waren es, die deutschsprachigen „Helfershelfer“, die die schärfsten Analysen lieferten und sich vom KHD nicht vereinnahmen ließen.

Zwei künstlich aufgebaute „Kontrahenten” erheben also nach der erfolgten Definition der eigenen Wichtigkeit den Anspruch, sie wollten „die ganze Geschichte unserer jahrzehntelangen Konfrontation … kritisch aufarbeiten”. Das wäre ein spannendes Unternehmen, würde „kritisch aufarbeiten” heißen, dass die historische Analyse Vorrang hat und „Kritik” nicht nach Belieben für sich oder für die jeweils andere Seite geltend gemacht werden kann. So hat jeder für die „andere Seite” rasch ein paar kritisch gemeinte Anregungen parat. Eindimensionales Denken, Feindbilder und Intoleranz gäbe es schließlich auf beiden Seiten. Feldner beispielsweise weiß zu berichten, dass er schon öfter Opfer einer „gnadenlosen Intoleranz” gewesen sei, als er z. B. bei seinen Vorträgen an den Universitäten von Graz, Wien und Linz von „linksgerichteten Kreisen” am Sprechen gehindert worden wäre. In der Tat, ein gutes Beispiel für Intoleranz. Nur: Meint Feldner mit dem Beispiel die „gnadenlose Intoleranz” der Kärntner Slowenen oder steht das Beispiel nicht eher für eine typische Variante der Täter-Opfer-Umkehr? „Feldner als Opfer der Intoleranz” – das lenkt von dem Umstand ab, dass der KHD mit seinem Vereinsblatt „Ruf der Heimat” jahrzehntelang Vorreiter im Einpeitschen von Intoleranz gegenüber der slowenischen Minderheit war.

Da auf dieses historische Faktum niemand hinweist, kann sich Feldner noch mehrmals als „Opfer“ von Missverständnissen, Verleumdungen und Hassattacken in Szene setzen. In der Untiefe der Opferrolle fühlt sich Feldner offenbar besonders wohl, da er von hier aus die „pharisäerhafte Selbstgefälligkeit“ von Leuten anprangern kann, „die glauben, nur ihr Geschichtsbild, nur ihre Ideologie sei die richtige“. Für die mangelnde Intoleranz der anderen Seite hat Feldner auch gleich eine passende psychologische Erklärung zur Hand: „Besonders zahlenmäßig relativ kleine Gruppen, wie jene der Slowenen in Kärnten, neigen dazu, Toleranz stets nur für sich selbst einzufordern, ohne diese gegenüber den anderen, im konkreten Fall auch gegenüber den Deutschkärntnern zu üben.“ (S.104)

„Kritisch“ vermerkt Feldner aber auch gewisse „Toleranzdefizite“ auf der eigenen Seite, da diese dazu neige, Toleranz mit „Selbstaufgabe“ zu verwechseln. Dies sei ein Ausdruck der Verängstigung und Verunsicherung bei den eigenen Leuten. Gegen diesen Mangel an „nationalem Selbstbewusstsein“ will Feldner künftig auch in der Öffentlichkeit vehement auftreten, indem er den Menschen klar macht, sie müssten keine Angst haben, denn: „Wir sind die Mehrheit!“ – „Wir sind die Mehrheit, die keine Angst mehr zu haben braucht, die in Südkärnten 90 Prozent und in ganz Kärnten 96 oder 97 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht.“ (S. 70) Feldner stellt also in Aussicht, künftig als Friedensengel durch Südkärnten zu ziehen mit der Botschaft: „Fürchtet euch nicht! Die Slowenen sind klein und ungefährlich!“ – Ein wirklich überzeugendes Argument von einem glaubwürdigen Sprecher vorgebracht! Feldner meint, auf diese Weise sollte es doch der Mehrheit keine Probleme machen, die „großzügig zuerkannten Rechte und Einrichtungen“ der kleinen slowenischen Volksgruppe zu akzeptieren. Und umgekehrt sollte „die Erfüllung von noch offenen Forderungen der Deutschkärntner“ für die Slowenen kein Problem darstellen. (S. 70)

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Toleranz ist also, so wie alles in diesem Gespräch und wie in der Beziehung von KHD zu Kärntner Slowenen überhaupt, eine Art Geschäftsbeziehung. Zum Beispiel: Wenn sich der KHD für die Erfüllung der Rechte der Kärntner Slowenen stark macht, müssten diese sich dafür einsetzen, dass die Rechte der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien staatlich anerkannt werden. Oder: Der KHD akzeptiert, dass die Vereine der slowenischen Volksgruppe vom Bund finanzielle Förderungen erhalten. Deshalb wird von den Slowenen das Gleiche verlangt, nämlich Verständnis für die Forderung nach finanzieller Gleichstellung der Deutschkärntner Vereine. Dies zeige nicht nur die Bescheidenheit des KHD sondern auch seine “Toleranz”, denn schließlich sind die Deutschkärntner die überwiegende Mehrheit; entsprechend dieser Mehrheit müssten eigentlich die KHD-Vereine ungleich mehr Geld bekommen als die slowenischen Vereine.

Feldner, der sich im „Dialog” als ein Vorbild an Toleranz und nationalem Selbstbewusstsein präsentiert, konnte nach eigenen Aussagen gegenüber der slowenischen Volksgruppe immer schon „Toleranz” walten lassen, da er in ihr nie eine „Bedrohung” sah. Feldner sagt, er sei diesbezüglich immer „Realist” gewesen, denn 10.000 oder 20.000 Slowenen könnten doch an sich für die Mehrheit keine Bedrohung darstellen: „Die sind als Gruppe kein Machtfaktor”. Diesen Realismus hat das KHD-Fussvolk offenbar nicht geteilt. Deshalb musste Feldner in den KHD-Aussendungen immer auf das noch vorhandene „Bedrohungsgefühl” der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung Rücksicht nehmen. Die „angeblich scharfe Schreibweise” im KHD-Blatt rechtfertigt Feldner deshalb so: Man wollte mit den diversen Massenaussendungen nur erreichen, „dass auch der einfachste Mensch unsere kritischen Aussagen versteht” (S. 44). Mit diesen „kritischen Aussagen” bezog man sich ausschließlich auf die maßlosen Forderungen von Slowenenorganisationen und auf Behauptungen des damaligen kommunistischen Jugoslawiens, das sich ständig in die Kärntner Angelegenheiten eingemischt habe. Der KHD habe also nur die einfachen Leute, die verunsichert und irregeleitet waren – vermutlich von der slowenischen Übermacht – wieder auf den Weg des nationalen Selbstwertgefühls bringen wollen. Leider sei das von den Slowenen immer missverstanden worden, obwohl die Auslöser für die „angeblich scharfe Schreibweise” des KHD-Blattes in der slowenischen Mediendominanz zu suchen seien. Feldner ist heute noch davon überzeugt: Durch die massive mediale Unterstützung, die die Kärntner Slowenen österreichweit und europaweit genossen haben und immer noch genießen (!) und durch das mediale „Totschweigen” (S. 53) aller „Gegendarstellungen” von Deutschkärntner Seite sei bei der Mehrheitsbevölkerung das Gefühl entstanden, die große Gruppe der 500.000 deutschsprachigen Kärntner wäre eigentlich die Minderheit. Zu dieser Mehrheits-Minderheits-Umkehr käme noch, dass die Kärntner Slowenen als eine Art „fünfte Kolonne” Jugoslawiens, als „titokommunistischer Vorposten”, wahrgenommen wurden. Dass diese „Wahrnehmung” auch eine „Leistung” des KHD war, wird im „Dialog” nicht zum Thema gemacht.

Die Geschichte der KHD-Propaganda, die sich ja nicht nur gegen die zweisprachige Schule richtete, sondern auch gegen slowenische Firmen und Betriebsansiedlungen, gegen slowenische Kindergärten, Musikschulen, Kulturvereine, Gottesdienste und immer auch gegen Exponenten, die sich für Rechte und Anliegen der Kärntner Slowenen einsetzten, diese Geschichte wird jedenfalls im Gespräch bzw. Buch nicht kritisch aufgearbeitet. Dabei hätte Marjan Sturm genügend gutes wissenschaftlich aufbereitetes Material gehabt, die KHD-Hetzpropaganda der letzten 50 Jahre von A bis Z vorzuführen. Sturm begnügt sich aber mit dem schon abgenutzten „Schlussstrich“- Zitat aus dem „Ruf der Heimat“ von 1970, das dann von Feldner auch prompt „entkräftet“ wird, weil es aus dem Zusammenhang herausgerissen sei.

Diese Art des spontanen, ausdrücklich nichtwissenschaftlichen Meinungsaustausches, bei dem alltagssprachlich gleichsam „aus dem hohlen Bauch” argumentiert wird und bei dem alle Assoziationen zugelassen sind – egal ob sie aus den Kenntnissen der Verhältnisse in Südafrika, Ex-Jugoslawien, Irland, Friaul, Slowenien oder Südtirol stammen – trägt den Kern der unverbindlichen Plauderei schon in sich. Dies erklärt auch, dass sich das Gespräch in diesen drei Tagen mehrmals im Kreise dreht und kein anderes „Ergebnis“, als das erbringt, was ohnehin schon früher als Konsens oder Dissens fixiert worden war.

Die inhaltlichen Wiederholungen und die zum Ritual erstarrte Dialogstruktur, die nur durch längere Monologe oder Zitate unterbrochen wird, ermüden den Leser, der schon nach dem ersten Tag eigentlich weiß, was hier gespielt wird, der aber weiter liest, weil er sich doch noch Neuigkeiten oder zumindest „Überraschungen“ erwartet. Solche bleiben aber aus. Nachdem am ersten Tag zum aktuellen Thema „zweisprachige Ortstafeln“ schon hinreichend kenntlich gemacht wird, worin der „Konsens“ besteht, kommt am zweiten und dritten Tag zu dieser Thematik kaum etwas Neues hinzu. Ein „in die Tiefe führender Dialogprozess“ gelingt nicht, denn dazu sind die beiden Redner viel zu sehr aufeinander eingespielt und alte Routiniers in solchen öffentlichen Auftritten.

Nur an einer Stelle bekommt das Gespräch so etwas wie Tiefe, nämlich dort, wo die Redner über die traumatischen Erlebnisse in ihren Familie erzählen. Dass es solche auch bei Feldner gegeben hat, war bisher nicht bekannt, aber zu vermuten, denn aus solchen Deutschkärntner Familienbiografien speist sich in der Regel das Engagement für die „deutsche Sache“. Das war bei Feldners Vorgänger, dem Vereinsobmann der „Windischen“, Valentin Einspieler, gut nachzuvollziehen. Die Überidentifikation der „Windischen“ mit dem Kärntner Deutschtum neigte zu einem besonderen Habitus, den man in der Psychologie „Identifikation mit dem Aggressor“ nennt. In der Tat war Einspieler ein besonders verbissener Verfechter aller KHD-Anliegen, egal ob es nun um die Säuberung von Südkärnten von zweisprachigen Ortstafeln oder von Partisanendenkmälern ging.

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Nachdem der Ortstafelkonsens ja schon besiegelt war, wendet sich Feldners Hauptsorge beim gegenwärtigen Ortstafelkonflikt nun verstärkt dem „Imageschaden für Kärnten“ zu. Er fühle sich verantwortlich für das „Ansehen unseres Kärntnerlandes“. Das hört sich nach einem echten Lernprozess an, denn man neigt zu der Frage: Wo war diese Verantwortlichkeit früher, als der „Heimatdienst“ noch für die Deutscherhaltung Kärntens kämpfte? Aber auch darauf weiß Feldner eine Antwort (siehe weiter unten).

Abgesehen vom „historischen Ortstafelkonsens“, bei dem man sich auf ein gewisses Minimum an neu aufzustellenden Ortstafeln geeinigt hat, bleiben noch die ergänzenden Vereinbarungen zu klären. Sturm ist für eine „Öffnungsklausel“. Feldner eigentlich auch, nur sagt er dazu lieber „direktdemokratisches Antragsrecht“. Das meint, ein allen Bürgern garantiertes „Petitionsrecht“. Aus einer Petition könne niemand einen Anspruch auf Realisierung ableiten, das sei logisch. Für Feldner ist das auch der springende Punkt: Mit einer Petition ist kein Rechtsanspruch verbunden, denn so etwas wäre für den KHD „nicht vertretbar gewesen“.

Die Vorstellung von Sturm ist offensichtlich die einer Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses auf Raten und eine „Entscheidungspflicht“ des Bundes bei Antragstellungen; so habe er, Sturm, das mit Schüssel schon ausgehandelt gehabt. Gescheitert sei es dann immer an neuen Forderungen des Kärntner Landeshauptmannes. Das sieht Feldner im Prinzip genau so und rechnet vor (auf der Grundlage der Volkszählungen von 1991 und 2001), „wie wir zu unserem Kompromiss gekommen sind“ (S. 29 f). Der „Kompromiss“ sei schon bis auf 38 strittige Orte ausgehandelt gewesen, inklusive „Stufenplan“, als Haider und der Abwehrkämpferbund (KAB) aus dem Kompromiss ausgestiegen sei. Na ja, eigentlich wären es nur einige KAB-Spitzenfunktionäre gewesen, die nicht mehr mitzogen. Mit der Mehrheit der KAB-Mitglieder wolle Feldner unbeirrt für eine „Gemeinsamkeit“ (zwischen den beiden Vereinen KHD und KAB) eintreten und sich für den „Ortstafelkonsens“ stark machen. Sturm plädiert dagegen mehr für einen „interkulturellen Dialog” in den Dörfern, da die zweisprachigen Ortstafeln allen gehören würden. Vertrauensbildende Maßnahmen sollten den Menschen die Ängste (vor neuen Ortstafeln oder noch besser, vor den Slowenen überhaupt) nehmen. Genau dieser Ansicht ist Feldner auch. Sollte es „massive Widerstände” bei Ortstafel-Anträgen geben, unter Umständen auch von Teilen der slowenischen Minderheit (!), sollte man die Sache eben zurückstellen, meint Feldner um „Ausgleich” und „Versöhnung” bemüht. Denn so viel Verständnis müsse man den verängstigten Menschen – auch in der slowenischen Minderheit soll es solche geben (!) – schon entgegenbringen, dass man dann auf ein „Antragsrecht” eben verzichtet. Nach dem Verständnis von Feldner sei das eben auch ein Aspekt der von beiden Seiten geforderten „Toleranz”.

Feldner hat seine neue Rolle gefunden: Er tritt als engagierter Don Quichotte auf. Er kämpft gegen Windmühlen, die er früher aufgestellt und eifrig in Gang gehalten hat. Jetzt hat er offensichtlich ein Problem mit dem Wind, wenn er sagt, zuerst (!) müsse bei der Ortstafelfrage dieses „Marksteindenken“ in Südkärnten beseitigt werden. Zweisprachige Ortstafeln würden eben KEIN „slowenisches Territorium“ abstecken. Den Menschen müsse diese heute nicht mehr begründete Angst genommen werden (S. 33). Viel Geduld und Überzeugungskraft sei dazu notwendig.

Da sich Sturm zu dieser „Aufklärungsarbeit“ bekannt hat, hat Feldner auch gleich einen guten Tipp für ihn parat: Die „slowenische Seite“ wäre gut beraten, nicht immer mehr zweisprachige Ortstafeln zu verlangen!

Der Kämpfer gegen die selbst errichteten Windmühlen beklagt, dass Politik und Medien die seit Jahrzehnten bestehenden Dialogbemühungen des KHD „glatt ignoriert“ hätten. Die „Zugeständnisse“, die der KHD jetzt den Slowenen im Dialogprozess machen würde, wären leider auch für einige Mitglieder und KHD-Gruppen noch nicht nachvollziehbar. Auch sei „die Unterstützung von Parteien ist bisher ausgeblieben“. Und völlig unverständlich sei die fehlende Unterstützung durch den Landeshauptmann Haider, der sich doch zuvor um die Einigung am „Runden Tisch“ so verdient gemacht hätte. Schmerzlich auch, dass Feldner im Vorjahr von den offiziellen Kärntner Landesfeiern zum 10. Oktober ausgeladen und „Opfer“ von verbalen Angriffen einzelner aus anderen „Heimatorganisationen“ wurde.

Die Annahme, dass es sich bei dieser „Ausladung” um eine klammheimliche Racheaktion vom Landeshauptmann und mehrfach zuordenbaren „einfachen” KHD-Mitglied Jörg Haider handeln könnte, liegt eigentlich auf der Hand: Feldner hat mit dem rechtsnationalen Frontmann der FPÖ, Andreas Mölzer, und mit zwei Slowenenorganisationen in der Ortstafelfrage einen „Konsens” erzielt. Der eigentliche Spielmacher, der BZÖ-Landeshauptmann – früher enger Gesinnungskamerad von Mölzer und jetzt politischer Konkurrent – war nicht überall dabei und konnte offenbar das Ergebnis des „Dialogs” zu wenig beeinflussen. Es kam also zu einer gewissen Verstimmung auf der deutschnationalen Seite. Man kann aber davon ausgehen, dass sich dieser „Konflikt” leicht bereinigen lässt. Spätestens dann, wenn der Kulturreferent und Landeshauptmann Jörg Haider damit droht, die KHD-Vereine von seiner Förderliste zu nehmen, ist dieser „Konflikt” beigelegt und Josef Feldner wieder ganz auf Haiders Linie – mit oder ohne Marjan Sturm.

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Durch diese politischen Unstimmigkeiten, die die Dialogbeteiligten selbst herbeigeführt haben, in dem sie nicht alle politischen Zuständigkeiten und Eitelkeiten berücksichtigt haben, scheint der anfängliche Elan der „Konsensgruppe” etwas erlahmt zu sein. So schleppt sich auch das Gespräch müde dahin und Feldner stimmt auf Seite 38 das Klagelied an:

Noch gehen wir, die Konsensgruppe (Karner, Sturm, Sadovnik, Stritzl, Feldner) weitestgehend allein unseren Weg.

Diese depressive Stimmung überrascht, da doch alle Beteiligten gewusst haben, dass ihr Dialogisieren für das politische Handeln konsequenzenlos sein wird, da sich Haider schon frühzeitig auf eine „Nulllösung“ festgelegt hatte. Alle KHD-Organisationen konnten sich daran orientieren. Eine „Arbeitsteilung“ lag nahe: Die eine Fraktion der „Heimatdienst“-Mitglieder, die eher zum karten Kurs des „Abwehrkämpferbundes“, des Kameradschaftsbundes und der „Ulrichsberggemeinschaft“ tendierte, entschied sich, mit dem kompromisslosen Haider-Kurs das traditionelle KHD-Klientel zu bedienen und zu sichern. Die andere Fraktion ging mit Feldner und Sturm auf „Versöhnungskurs“ und konnte jene KHD-Mitglieder binden, die von der Deutschtümelei der Vergangenheit die Nase voll hatten. Nach der Aussage von Feldner konnten mit seinem Kurs sogar eine Reihe neuer Sympathisanten und KHD-Mitglieder gewonnen werden.

Ob Marjan Sturm für seinen Verein auch so eine erfreuliche Bilanz ziehen konnte, darüber schweigt die Geschichte. Es war auch noch nichts darüber zu hören, dass durch den Konsenskurs von Sturm der Zentralverband Slowenischer Organisationen (ZSO) auf die Förderliste von Feldner oder Haider gekommen ist. Also ist der ZSO noch kein richtiger Verein von „Heimattreuen“.

Im Sinne der „Gleichbehandlung“ aller Heimatvereine wäre dem ZSO eine Landesförderung zu wünschen, zumal Sturm so viel auf die „Verantwortung der politischen Eliten“ setzt. Das sollte honoriert werden, ist es doch so etwas wie eine Absage an seine „Jugendsünden“ – das Beschmieren bzw. Ergänzen von Ortstafeln mit slowenischen Bezeichnungen in den 70er Jahren.

Das Verantwortungsthema nimmt Feldner besonders gerne auf, kann er sich doch damit auch in die Reihe der verantwortungsbewussten politischen Eliten stellen – sogar am Beispiel des Ortstafelsturms. Feldner war, gemäß Eigendefinition, an der „Deeskalation” des Ortstafelkonflikts von 1972 wesentlich beteiligt. Die Gegensteuerung zur „Spontanaktion” der flächendeckenden Ortstafeldemontage im Oktober 1972 sei ihm durch die Einberufung einer „friedlichen Großveranstaltung”, von der die Kärntner Medien nur Positives zu berichten wussten, gelungen. „Wien” habe daraufhin auch sofort positiv reagiert. Das Ortstafelgesetz wurde zurückgenommen und nach eingehenden Verhandlungen die Verordnung von 1977 erlassen.

Dies ist eine die Wirklichkeit grotesk verzerrende, aber schon längst bekannte KHD-Selbstdarstellung. Die Moderatoren, die dies sicher nicht ironisch sondern schlicht naiv meinen, fragen an dieser Stelle sogar noch nach, ob denn das Ortstafelgesetz von 1972 der Bundesregierung für den KHD nicht ausreichend im Sinne einer „partizipativen Demokratie” gewesen sei (S. 49). – Eine gute Frage – beantwortet durch die Geschichte, denn diese Art von „partizipativer Demokratie” haben dann die Ortstafelstürmer zur Nachtzeit auf der Straße selbst hergestellt. Es war die ultimative Ortstafelnulllösung von 1972. Feldner ersucht um Verständnis für diese „spontane Aktion”: Damals seien ja auch die Ängste auf Deutschkärntner Seite noch berechtigt gewesen! (S. 50)

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Es würde zu weit führen, dieses Gesprächsmuster durch alle weiteren „Urangst“-Themen (Ausgesiedelte, Partisanen, Verschleppte, slowenische Gebietsansprüche, slowenische Karten und Atlanten, Euroregion, Symbole auf Münzen, 10. Oktober Feiern usw.) zu verfolgen. Die beiden Redner schneiden alle gängigen Themen an, die seit jeher den spezifischen Kärnten-Diskurs ausmachen.

Auf beiden Seiten wird mehr Sensibilität und Verständnis eingemahnt, Bedauern dort geäußert, wo es um „Verbrechen an unschuldigen Menschen“ geht, auf „strikte Gegenseitigkeit“ bei Minderheitenrechten Wert gelegt (Feldner, S. 74), eine Abkehr von der NS-Ideologie verlangt, die über eine „plakative Distanzierung“ (Sturm) hinausgeht. Und Feldner nochmals: Die Slowenen sollten keine überhöhten Forderungen stellen, denn der Artikel 7 sei ohnehin schon erfüllt und weitere „Zugeständnisse“ könnten nur dann gemacht werden, wenn mit viel Geduld, Ausdauer und Aufklärung dem „skeptischen und irregeführten Teil der Deutschkärntner“ (S. 74) deutlich gemacht würde, dass „das nationale Denken der Slowenen nicht mit Gebietsforderungen“ gleichzusetzen sei.

Nach so viel demonstriertem Verständnis darf der Hinweis von Feldner auf die mangelnde Dankbarkeit der Slowenen gegenüber Österreich – „bei der Fülle an zuerkannten Rechten und Einrichtungen“ – nicht fehlen. Dieses „Argument“ ist auch nicht neu. Das hat sich Feldner von Haider abgeschaut, der schon Mitte 2002 gesagt hat: Bevor weitere Verhandlungen stattfinden würden, sollte sich die slowenische Minderheit bei ihm bedanken für die vielen Vergünstigungen, die sie schon erhalten habe.

Und abermals demonstriert der Sprecher des Mehrheitsvolkes seine Großzügigkeit. Feldner bekennt sich zur Förderung der „natürlichen Entwicklung der Slowenischkärntner“; dies dürfe aber „nicht zu Lasten der Mehrheitsbevölkerung“ gehen (S. 203). – Also alles beim Alten: Gnadenakte für die Minderheit, aber nur bei „Zumutbarkeit“ für die Mehrheit; statt Rechtsansprüche zu stellen, sollte die Minderheit Dankbarkeit für die Gnadenakte zeigen.

In der zweiten Hälfte des Gesprächs können die Moderatoren die Selbstdarstellungen und Monologe der Redner doch noch unterbrechen, um eine „kritische Machtanalyse“ einzufordern (S.117). Da zeigt sich das Gesellschaftsverständnis von Feldner, der die kleine Welt seiner Kärntner Heimat so erklärt: „Staatsmacht“ habe keine der beiden Gruppen. Die Slowenen würden aber über mehr „Medienmacht“ verfügen. – Wer jetzt daran denkt, dass auch den Juden immer vorgeworfen wurde, sie hätten die gesamte Weltpresse in ihrer Hand, der denkt „unversöhnlich“, denn Feldner meint ja nur: Politik und Medien sollten sich etwas ernsthafter mit den „recht bescheidenen und keineswegs unerfüllbaren Wünschen“ der Mehrheit auseinander setzen. Die Moderatoren finden es an dieser Stelle für wichtig nachzufragen, um welche Wünsche und Forderungen es denn da gehe. Daraufhin Feldner: Förderung von Vereinen, Gleichgewichtung in der Kirchensprache, Beseitigung von falschen Proportionen im Schulbereich:
„Hier gibt es seitens der Mehrheitsbevölkerung Klagen über eine überproportionale Präsenz von slowenischsprachigen Lehrern auch an Schulen mit überwiegend deutschsprachigen Kindern und auch Benachteiligungen dieser Kinder durch slowenischsprachige Lehrer“ (S. 121).

Spätestens an dieser Stelle zeigt sich, dass der Feldner von 2006 der gleiche Feldner ist, der schon vor 20, 30 und mehr Jahren den gleichen Unsinn und die gleiche KHD-Agitation vertreten hat. Spätestens hier müssten eigentlich Sturm und die Moderatoren erkannt haben, dass dieser „Dialog“ zur Zumutung für rational argumentierende Menschen, zum sinnlosen Unterfangen und zum absoluten Fehlschlag für die Demokratie geworden ist.

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Wie ist dieses Buch nun tatsächlich einzuschätzen, da es nun schon einmal produziert, verkauft, verteilt und vereinzelt auch gelesen wurde. Die öffentlichen Reaktionen auf das Erscheinen des Buches waren überwiegend positiv. Wer wird schon ein Buch kritisieren, zu dem der Bundespräsident und ein bekannter Friedensforscher wohlmeinende Vorworte beigesteuert haben? Die Frage ist berechtigt: Was soll denn an einem „Dialog“ von zwei angeblichen „Kontrahenten“ schlecht sein, wenn sie sichtlich bemüht sind, auf einander zuzugehen bzw. an einem Tisch Platz zu nehmen, um ihre Meinungen einträglich und friedlich auszutauschen? Schaden wird dadurch wohl keiner angerichtet, oder?

Bei oberflächlicher Betrachtung und in Unkenntnis der politischen Verhältnisse und Verflechtungen in Kärnten könnte der Feldner–Sturm-Dialog als ein gehobenes Biertischgespräch bezeichnet werden, wie dies auch das Titelbild des Buches nahe legt. So einfach sollte man es sich aber nicht machen, denn was der Buchtitel suggeriert, muss einer kritischen Analyse unterzogen werden. Selbst wenn von zwei „ehemaligen Kontrahenten” die Rede gewesen wäre, würde dieser Untertitel falsche Erwartungen wecken. Feldner und Sturm sind sich schon vor 10 Jahren handelseins geworden. In einer Untergruppe des „runden Tisches” handelten (unter der von Wolfgang Schüssel empfohlenen Moderation von Stefan Karner) Marjan Sturm, Nanti Olip und Josef Feldner einen Kompromiss zur Frage der zweisprachigen Kindergärten in Kärnten aus. Fachliche Kompetenz und politische Zuständigkeit der Verhandler wurden schon damals ungefragt vorausgesetzt. Pädagogen oder andere Fachleute wurden zu dieser Arbeitsgruppe nicht beigezogen. Offensichtlich ging es damals, ähnlich wie jetzt beim „Dialog” zwischen Feldner und Sturm, um einen politischen Handel, den Karner im Auftrag von Schüssel und dem damaligen Landeshauptmann Zernatto einzufädeln hatte. Pech für Feldner und Sturm, dass weder Schüssel noch Zernatto heute mehr die Spielmacher sind, die mit Personen und Meinungen am politischen Parkett ihre Schachzüge vorbereiten und durchführen können.

Der „Dialog der Kontrahenten“ ist nicht mehr oder weniger als eine Spiegelfechterei für ein Publikum, das die beiden „Kontrahenten“ nur vom Hörensagen kennt. Dabei gelingt es den Moderatoren nicht wirklich, Feldner und Sturm als „Kontrahenten“ zu präsentieren bzw. aufzubauen. Wahrscheinlich war das auch nicht die Aufgabe der Moderatoren, die überdies – offensichtlich unkundig der historischen und politischen Verwerfungen und Verflechtungen in der Kärntner Volksgruppenpolitik – am Ende der Diskussion betonen, sie hätten bei dem Gespräch sehr viel gelernt. Was sie gelernt haben, das verraten sie freilich nicht.

Schwerer wiegt, dass schon im Untertitel der Begriff „Dialog“ vorkommt und eine Gesprächskultur suggeriert, die nicht der Kärntner Wirklichkeit entspricht. Gerade der Begriff „Dialog“ hat in der Geschichte des Kärntner Volksgruppenkonflikts eine unsägliche Vorgeschichte. Es ist eine Geschichte des politischen Missbrauchs. Der „Neue Dialog“, der von Karel Smolle schon vor 20 Jahren ausgerufen wurde, hat in einem Desaster für die slowenische Volksgruppe geendet. Durch den Schultrennungspakt von Smolle mit SPÖ, ÖVP und FPÖ (unter Jörg Haider) hatte Karel Smolle die breite Solidaritätsbewegung der Deutschsprachigen für die Rechte der Kärntner Slowenen gesprengt und innerhalb eines Jahres zum Verschwinden gebracht. Kurzzeitig war Smolle der von den Medien bejubelte Held der „Kärntner Einheit“, ähnlich wie Feldner und Sturm vor einem Jahr. Von den Grünen wurde Smolle, der sich für den „Konsens“ mit der Haider-Partei instrumentalisieren ließ, wegen seiner unberechenbaren Packelei aus dem Nationalrat zurückgezogen. Für die Medien und die Parteien, ausschließlich an tagespolitischen Sensationen orientiert, war schon einige Zeit vorher der „Neue Dialog“ kein Thema mehr. Ob Versprechungen und „Zugeständnisse“, die Smolle zum „Konsens“ mit dem SPÖ-ÖVP-FPÖ-Dreiparteienpakt bewogen haben, jemals eingelöst wurden, ist nicht bekannt.

Geblieben ist zweierlei: Der Begriff „Dialog“ wurde im politischen Umfeld Kärntens nachhaltig diskreditiert. Er gilt seither als Deckbegriff für die Kumpanei mit den politisch Mächtigen. Er kann so lange nicht mehr positiv besetzt werden, als dieses Desaster von Politik und Volksgruppe nicht aufgearbeitet wird.
Fazit: Kärnten lässt sich heute mittels eines „Dialogs“ nicht mehr „neu denken“.

Die slowenische Volksgruppe in Kärnten, die in den 70er und 80er Jahren durch eine österreichweite Solidaritätsbewegung eine enorme Rückenstärkung erfuhr, hat seit der Ausrufung des „Neuen Dialogs” ihr politisches Gesicht und ihr politisches Gewicht verloren. Dies ist u.a. daran erkennbar, dass sich jetzt sogar schon der KHD-Obmann Josef Feldner zum Retter der slowenischen Minderheit aufspielen kann. Sturm legt dies Feldner geradezu nahe. Sturm erwartet sich von Feldner, dass dieser den zahlenmäßigen Rückgang der Slowenen „bedauere” und sich überlege, ob es gut gewesen sei, dass die Zahl der Slowenen so stark zurückgegangen ist (S. 197). Tatsächlich, Feldner „bedauert diese Tatsache”. Wie sollte er auch anders reagieren. Er kann ja nicht gut öffentlich sagen, dass ihn dieser zahlenmäßige Rückgang freue, weil er als ein Erfolg der jahrzehntelangen KHD-Agitation zu verbuchen ist. Deshalb weist Feldner auch nur auf die „natürliche Entwicklung”, auf die „freiwillige Assimilation” der Slowenen und auf „andere Faktoren” hin – und verlangt im Gegenzug, die Slowenen sollten „das Verschwinden der Windischen bedauern” (203).

Man hat den Eindruck, noch lieber als für den Erhalt der slowenischen Volksgruppe würde sich Feldner für die „Kärntner Windischen” einsetzen – wenn es sie noch gäbe. Nach der KHD-Version sind nämlich die „Nationalslowenen” am Verschwinden der „Windischen” schuld.

Dazu passt die (ernst gemeinte) „Informationsfrage“ der Moderatoren zu einem anderen KHD-Dauerbrenner, dem der „heimattreuen Verschleppten“ in den Wochen nach dem 8. Mai 1945. Die Moderatoren: „Sind damals auch sogenannte Windische verschleppt worden? Oder nur deutschsprachige Kärntner und Kärntnerinnen?“ (S. 143) Der darauf folgende „Dialog“ kann als bekannt vorausgesetzt werden, denn er wurde von beiden Rednern schon x-mal durchexerziert.

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Der Titel des Buches „Kärnten neu denken“ ist vielversprechend. Das haben Titel so an sich, sollen sie doch in erster Linie zum Kauf des Buches anregen. Was ist nun aber tatsächlich „neu“ an den geäußerten Gedanken und Monologen der beiden Redner?

Für jemanden, der in den letzten 25 Jahren die öffentlichen Reden, Aussendungen und Statements von Marjan Sturm verfolgt hat, wird das Buch nichts Neues bringen. Seine Redebeiträge sind überwiegend im europäischen Mainstream, d. h., sie liegen auf der Linie der allgemeinen Entwicklung in Europa. Hätten seine Visionen von einem multikulturellen Kärnten und einem interkulturellen Zusammenleben, seine Konzepte von einer regionalen Mehrsprachigkeit und von einem grenzüberschreitenden Dialog in Kärnten Chancen auf eine Umsetzung, dann wäre dies in der Tat ein Schritt in eine neue Zukunft.

Mit Feldner darüber zu diskutieren, ist verlorene Liebesmühe. Feldner kann sich auch gar nicht darauf einlassen, denn die KHD-Konzepte sind ident mit denen von BZÖ und FPÖ: „Multi-Kulti“, ethnische Vermischungen und „Völkerbrei“ werden strikt abgelehnt. Der Trend, so sagen es alle rechtslastigen Nationalisten, ginge europaweit in Richtung Verstärkung des nationalen Bewusstseins und zu ethnisch abgegrenzten Gesellschaften. Andreas Mölzer, KHD-Vorstandsmitglied und ideologischer Vordenker der rechtsextremen FPÖ (die früher von Haider angeführt wurde und die jetzt unter Strache an den rechten Rand Europas schlittert), hat dieses Konzept der fein sortierten und hierarchisch gegliederten nationalen Gesellschaften an vielen Stellen seiner Veröffentlichungen dargelegt.

Das Konzept heißt „Ethnopluralismus“ und eignet sich vorzüglich zur Verpackung von Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus. Für Mölzer sind deshalb solche Wahlkämpfe, wie sie die FPÖ-Mandatare in Wien und Graz geführt haben, wahre Hochzeiten für seine Ideologie der Rechtfertigung des abendländischen „Abwehrkampfes“ gegen außereuropäische „Ausländer“ – früher gegen die „Slowenisierung“ und heute gegen die „Islamisierung“.

Marjan Sturm kennt dies sicher alles aus Büchern und aus direkten Kontakten mit Feldner und Mölzer. Dennoch ist Sturm offenbar bereit, Feldner und Mölzer im Doppelpack als neue Dialog- und Bündnispartner zu akzeptieren. In der ÖVP, vom Ex-Kanzler Schüssel über den Kärntner EU-Abgeordneten Pirker bis hin zu dem Schüssel-Berater Karner, wird diese Koalition, die durch Fotos im Buch zusätzlich illustriert ist, niemanden stören.

Selbst wenn der Rechtsextremismus in Kärnten schon weit in die Mitte der Gesellschaft eingesickert ist, ist die Paarung Sturm-Feldner/Mölzer eine echte Neuigkeit für die Politik in Kärnten. Der „freiheitliche“ EU-Abgeordnete Andreas Mölzer, der gegenwärtig gerade an einer ultrarechten nationalen Europapartei bastelt (mit dem Front National von Le Pen, dem Vlaams Belang und anderen rechtsextremen Bündnispartnern an seiner Seite) wird vielleicht sogar bei den „liberalen“ Nationalisten punkten können, wenn er in Brüssel damit hausieren geht, dass in Kärnten jetzt auch schon zwei Organisationen der slowenischen Minderheit „mit im Boot“ sind. Vor diesem Hintergrund war der Paarlauf von Smolle und Haider vor 20 Jahren noch vergleichsweise bieder und hausbacken.

Im Buch erfährt man gegen Ende hin, dass dem Friedensforscher Johan Galtung „eine Friedensregion Kärnten – Slowenien – Friaul” vorschwebt. Dieses Projekt wird im „Dialog” auch von Sturm und den Moderatoren, Graf und Kramer, favorisiert. So wünschenswert dieses Konzept auch ist, den KHD dafür als Partner gewinnen zu wollen, ist ein (schlechter) Witz der Geschichte. Der KHD ist wohl die unglaubwürdigste Organisation für so eine Partnerschaft des Friedens. Glaubwürdig wäre der KHD nur dann, wenn er sich selbst auflösen würde. Kärnten ohne KHD wäre dem Friedensprojekt schon längst viel näher gekommen als es durch den „Dialog” heute ist. Abgesehen davon, Feldner versteht gar nicht, was denn mit so einer „Friedensregion” gemeint sein könnte, denn zwischen Kärnten und Friaul gäbe es ohnehin kein „Volksgruppenproblem”. Es gäbe auch „keine einzige Forderung von Kärntner Seite für Deutschsprachige im ehemaligen Kanaltal” (S. 219)! So eine „Bescheidenheit” der Deutschkärntner Seite könnten sich die Slowenen für ihre Anliegen zum Vorbild nehmen, denn im „ehemaligen Kanaltal” gäbe es sehr wohl noch einige Deutschsprachige. Und „für ein gemeinsames Auftreten gegenüber Brüssel” (!) wäre so ein überregionaler Zusammenschluss ohnehin nicht nötig (Feldner, S. 220).

Vielleicht sitzt für den KHD der neue Gegner jetzt in Brüssel? Jedenfalls gibt es einige KHD-„Forderungen”, wie die nach einem „europäischen Minderheitenrecht”, die Feldner an Brüssel zu richten wüsste. Das KHD-Vorstandsmitglied Andreas Mölzer will dagegen den Kampf gegen den „europäischen Verfassungsschwindel” in Brüssel offensiv führen. Da geht es nicht mehr um irgendwelche ethnische Minderheiten sondern darum, dass das kleine Österreich durch den Reformvertrag „benachteiligt” und in seiner Grundrechtskompetenz übergangen würde. Minderheiten, wie etwa die Kärntner Slowenen, könnten dann vermehrt beim Europäischen Gerichtshof auch „soziale Grundrechte”, wie Diskriminierungsverbot, Recht auf gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen usw., einklagen. Dieser „Abwehrkampf” passt nun tatsächlich hervorragend in die KHD-Tradition. Ob sich Feldner und Mölzer für ihren „Kampf gegen Brüssel” auch die Unterstützung von Marjan Sturm erhoffen oder erwarten, bleibt unausgesprochen.

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Wenn man sich abschließend die Frage stellt, welche persönlichen und gesellschaftlichen Funktionen dieser veröffentlichte „Dialog“ erfüllt, dann liegen folgende Annahmen auf der Hand:

Für beide hat der „Dialog“ die Funktion, sich wieder ins politische Gespräch zu bringen und die eigene Wichtigkeit als „politische Elite“ zu betonen.
Für den KHD ergeben sich daraus mehrere Vorteile.
Mit Sturms Hilfe ist der KHD jetzt endgültig jenseits der „Verbotszone“ des Artikel 7, Absatz 5, des Österreichischen Staatsvertrags. Denn wer könnte jetzt noch für ein Verbot des KHD plädieren, wenn dieser offen als Unterstützer von Anliegen der slowenischen Minderheit auftritt?
Der KHD hat seine Klientel in den Bereich der slowenenfreundlichen Mehrheitsbevölkerung hinein ausdehnen können.
Feldner ist aus dem Kreis der „Verständigungsfeinde, Unverbesserlichen und Miesmacher“ (S. 207) als einer hervorgetreten, der entschlossen ist, „das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen“. Allein dadurch ist ihm der Applaus sicher.
Der KHD hat endlich auch ein Schlupfloch gefunden, durch das ihm die Aufmerksamkeit von überregionaler Politik und Wissenschaft (Politikwissenschaft, Konflikt- und Friedensforschung) winkt.
Feldner kann mit Hinweis auf die „Ortstafellösung“ der sog. Konsensgruppe eine finanzielle Unterstützung des KHD durch Wissenschaft, Politik und öffentlicher Hand für seine „Friedens- und Versöhnungsarbeit“ erwarten.
Als Dialogpartner der slowenischen Minderheit in Kärnten kann der KHD mit größerem Nachdruck seine Forderungen gegenüber Slowenien hinsichtlich der Einlösung von „Minderheitenrechten“ für die Deutschsprachigen vertreten.
Objektiv hat der „Dialog“ die Funktion, die Geschichte des KHD zu verschleiern und zu schönen. Das vorliegende Buch unterstützt durch die Bindung des ethnischen Konflikts an zwei „Repräsentanten“ eine personalisierte Deutung der Geschichte. Das heißt: „Feldner und Sturm im Dialog“ befördern die Entpolitisierung der konfliktreichen Beziehungsgeschichte zwischen Mehrheit und Minderheit. Die Funktion des Dialogs ist deshalb oberflächliche Befriedung und nicht ehrliche Aufklärung. Aufklärungsarbeit und vermehrte Aktivitäten der Politischen Bildung wären in Kärnten aber dringend notwendig. Eine Aufklärung der Öffentlichkeit über die Strategien, Verflechtungen und Machenschaften des KHD – ähnlich wie dies Martin Fritzl in seinem Buch „Der Kärntner Heimatdienst“ (Drava Verlag, Klagenfurt/Celovec 1990) geleistet hat – müsste dabei eine herausragende Stellung einnehmen. Im „Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus“, herausgegeben vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Wien 1993, unter Josef Feldner, Andreas Mölzer und „Kärntner Heimatdienst“ nachzuschlagen, lohnt sich allemal, wenn man sich für die Vernetzungen des rechtsextremen Lagers mit den deutschnationalen und neonazistischen Gruppen interessiert. Nicht unwesentlich ist dabei, dass einige Organisationen, zu denen Feldner und Mölzer Kontakt hatten, inzwischen behördlich aufgelöst wurden.
Der „Dialog“, der sich stellenweise staatstragend und „europäisch“ gibt, verschweigt die neue Marschrichtung des KHD. Diese ist – in Übereinstimmung mit dem BZÖ von J.Haider, der FPÖ von H.C. Strache und A.Mölzer – gebündelt der Aussage zu entnehmen, die ein Mitglied der KHD-Verbandsleitung, Christoph Schintl, im Mitgliedsblatt des KHD kürzlich gemacht hat: „Ich trete dafür ein, dass der westliche Kulturkreis nicht vom Islam überschwemmt wird“. Hier treffen sich also die „Heimattreuen“ wieder. Die Bedrohung heißt jetzt nicht mehr „Slowenisierung“ sondern „Islamisierung“. In dem gemeinsamen Kampf gegen „die schleichende Islamisierung“ ist auch der KHD eingebunden. Der leidige Ortstafelstreit ist angesichts dieser „europäischen“ Zielsetzungen zu einer vernachlässigenden Größe geworden. Die KHD-Karawane der „Heimattreuen“ ist schon längst weiter gegangen. Hat es Marjan Sturm nicht bemerkt? Außer an der „Heimatfront“ (Abwehr von „Asylantenfluten“) steht sie noch an mindestens zwei Fronten: vor Brüssel und vor Istanbul.
Landeshauptmann Haider hat durch die Verrückung von Ortstafeln und durch die Verkleinerung der slowenischen Ortsnamen auf einigen Tafeln die slowenische Volksgruppe gedemütigt, den Rechtsstaat verhöhnt und sich über die Ortstafellösung der „Konsensgruppe“ hinweggesetzt. Für die Kärntner Slowenen ist dies eine Erniedrigung. Für die Republik Österreich sind dies beschämende Zustände. Das alles dürfte der KHD dem Landeshauptmann von Kärnten nicht weiter übel nehmen, da Haider auch in Zukunft der Garant dafür ist, dass in Kärnten die zweisprachigen Ortstafeln keine Vermehrung erfahren, dass keine Moscheen gebaut werden und dass Asylwerber willkürlich in andere Bundesländer abgeschoben werden können. – Die einzig politische relevante Frage für die Zukunft wird nun sein:
Wird die Kärntner Mehrheitsbevölkerung und werden die Kärntner Slowenen den lokalen Machthabern bei diesem Weg der Beugung und Missachtung von rechtsstaatlichen Normen und europäischen Menschenrechtskonventionen beipflichtend und hilfreich zur Seite stehen? Werden sie – durch neue Kärnten-Plattformen und durch die Koalition von Feldner und Sturm ermutigt – ihren Beitrag zur „Rettung des Abendlandes“ leisten und damit auch das national-rechtsextreme Netzwerk von Mölzer u. Co. unterstützen? Oder wird sich in Kärnten eine Opposition dagegen formieren?[:SL]

Peter Gstettner

Eine neue Koalition balanciert am rechten Rand Kärntens. Eine Buchbesprechung nebst kritischen Anmerkungen zu einem fragwürdigen Dialog.

Das Buch ist die Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen Josef Feldner und Marjan Sturm, das von zwei Moderatoren, Wilfried Graf und Gudrun Kramer, gesteuert und von ihnen mit einem „Rahmen“ versehen wurde. Dieser Rahmen, der auf konflikttheoretischen Annahmen beruht, sollte sicherstellen, dass gewisse Themen angeschnitten und andere ausgeklammert werden und dass Intentionen wie „Verständigung“ bzw. „Versöhnung“ im Vordergrund stehen. Solche Intentionen sind für den „Kärntner Dialog“ typisch, da es in einer plakativen Form immer darum geht, nicht das Trennende sondern das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen. Davon war auch die „Konsensgruppe“ beseelt, die durch ihr Agieren politische Machtstrukturen eher zu- als aufdeckte. Ihr Motto hat Heinz Stritzl, Mentor der „Plattform Kärnten“, auf den Punkt gebracht: „Das Wühlen in der Vergangenheit versperrt den Weg in die gemeinsame Zukunft in Europa“. (Nachwort H.Stritzl, S. 252)

Die Moderatoren definieren eingangs die Rollen der Gesprächspartner, die sich in der Folge als eine wichtige Wir-Gruppe wahrnehmen werden. Feldner und Sturm unisono im Vorwort: „Wir als zwei der Hauptakteure des Konflikts zwischen deutschsprachiger Mehrheit und slowenischsprachiger Minderheit in den letzten Jahrzehnten“. Die Definition „Hauptakteure“ entspricht auch dem Titelbild am Buchumschlag. Sie wurde den beiden Rednern von den Moderatoren angetragen und Feldner/Sturm wissen daraus eine Synthese von zugeschriebener Wichtigkeit und männlichem Imponiergehabe zu formen.

Im Zusammenhang mit den zu erwartenden öffentlichen Reaktionen und dem Marketing für das Buch – mit einem Seitenblick auf die Bedeutungsverleihung durch die beiden Vorworte von bedeutenden Männern – schreiben sich die Redner eine staatstragende und weit über Kärnten hinaus reichende Ausstrahlung zu. Als zu den „politischen Eliten” gehörig hätten sie eine besondere „Verantwortung”. Sturm dazu: „Ich gehe davon aus, dass wir als Obmänner von zwei Organisationen mit unterschiedlicher Geschichte im 21. Jahrhundert haben die Aufgabe neue Akzente zu setzen” (S. 20). Offenbar handelt es sich dabei um eine großspurige „Selbstbeauftragung”, denn das 21. Jahrhundert ist ja noch nicht so alt.

Für wen sprechen die beiden „Dialogpartner“? Diese Frage wird im Gesprächsverlauf geklärt. Obwohl Feldner und Sturm sich in der Einleitung noch bescheiden, sie würden nur in „sehr subjektiver Weise“ ihre ganz persönlichen Überlegungen austauschen, stellt sich rasch heraus, dass Feldner für sich beansprucht, nicht nur als Obmann des „Kärntner Heimatdienstes“ (KHD) zu sprechen, sondern eigentlich für die Mehrheit der sog. Deutschkärntner. Sturm, der diesen Anspruch von Feldner nicht problematisiert, muss naturgemäß bescheidener sein. Seine Meinung sei „natürlich“ von der Grundposition des von ihm vertretenen Vereins „Zentralverband Slowenischer Organisationen“ (ZSO) beeinflusst.

Letztlich und das verdankt sich auch der Steuerung durch die Moderatoren, stilisieren sich die beiden Redner zu „Sprechern der einen bzw. der anderen Seite”, d. h., Sturm tritt als Sprecher der Kärntner Slowenen und Feldner als Sprecher der Deutschkärntner auf.

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Die Rede von den „beiden Seiten“ wird zu einer stehenden Floskel, mithilfe derer der Eindruck entstehen soll, zwei gesetzte Herren von bedeutsamen Vereinen würden den Kärntner Volksgruppenkonflikt diskutieren. Da ist z. B. die Rede von den Missverständnissen auf beiden Seiten, vom notwendigen Abbau von Feindbildern auf beiden Seiten, vom Schwarz-Weiß-Malen auf beiden Seiten, von den Wünschen, Ängsten und Forderungen auf beiden Seiten, von den Widersachern und Konfliktverursachern auf beiden Seiten, von den Verständigungsorientierten und den Unversöhnlichen auf beiden Seiten, von der Notwendigkeit der Toleranz und der Aufklärungsarbeit auf beiden Seiten usw.

Diese rhetorische Figur, die von vorneherein auf „ethnische Parität” und „Ausgleich” abzielt, wird von den Moderatoren auch zur Herausarbeitung von „kontroversen Positionen” verwendet. Feldner und Sturm übernehmen diesen Topos unreflektiert. Tatsächlich werden dadurch die komplexen Volksgruppenprobleme vereinfacht und die althergebrachten ethnisierenden Konfliktzuschreibungen gefestigt.

Zur Austragung wirklicher Kontroversen kommt es auch aus einem anderen Grund nicht. Die Redner haben ihre Standpunkte schon längst abgeklärt und verhalten sich schon seit Jahren „koalitionär“. Tatsächlich trug Sturm mit Feldner schon seit Jahren keine „Kontroversen“ mehr aus. In den letzten 30 Jahren waren die größten Gegenspieler des KHD in der deutschsprachigen Gruppe zu finden. In diesen deutschsprachigen „Helfershelfern“ und in deren guten Zugängen zum Wissenschaftsdiskurs und den Medien sah Feldner bis zuletzt auch die größte Bedrohung für die „Deutschkärntner Sache“. Sie waren es, die deutschsprachigen „Helfershelfer“, die die schärfsten Analysen lieferten und sich vom KHD nicht vereinnahmen ließen.

Zwei künstlich aufgebaute „Kontrahenten” erheben also nach der erfolgten Definition der eigenen Wichtigkeit den Anspruch, sie wollten „die ganze Geschichte unserer jahrzehntelangen Konfrontation … kritisch aufarbeiten”. Das wäre ein spannendes Unternehmen, würde „kritisch aufarbeiten” heißen, dass die historische Analyse Vorrang hat und „Kritik” nicht nach Belieben für sich oder für die jeweils andere Seite geltend gemacht werden kann. So hat jeder für die „andere Seite” rasch ein paar kritisch gemeinte Anregungen parat. Eindimensionales Denken, Feindbilder und Intoleranz gäbe es schließlich auf beiden Seiten. Feldner beispielsweise weiß zu berichten, dass er schon öfter Opfer einer „gnadenlosen Intoleranz” gewesen sei, als er z. B. bei seinen Vorträgen an den Universitäten von Graz, Wien und Linz von „linksgerichteten Kreisen” am Sprechen gehindert worden wäre. In der Tat, ein gutes Beispiel für Intoleranz. Nur: Meint Feldner mit dem Beispiel die „gnadenlose Intoleranz” der Kärntner Slowenen oder steht das Beispiel nicht eher für eine typische Variante der Täter-Opfer-Umkehr? „Feldner als Opfer der Intoleranz” – das lenkt von dem Umstand ab, dass der KHD mit seinem Vereinsblatt „Ruf der Heimat” jahrzehntelang Vorreiter im Einpeitschen von Intoleranz gegenüber der slowenischen Minderheit war.

Da auf dieses historische Faktum niemand hinweist, kann sich Feldner noch mehrmals als „Opfer“ von Missverständnissen, Verleumdungen und Hassattacken in Szene setzen. In der Untiefe der Opferrolle fühlt sich Feldner offenbar besonders wohl, da er von hier aus die „pharisäerhafte Selbstgefälligkeit“ von Leuten anprangern kann, „die glauben, nur ihr Geschichtsbild, nur ihre Ideologie sei die richtige“. Für die mangelnde Intoleranz der anderen Seite hat Feldner auch gleich eine passende psychologische Erklärung zur Hand: „Besonders zahlenmäßig relativ kleine Gruppen, wie jene der Slowenen in Kärnten, neigen dazu, Toleranz stets nur für sich selbst einzufordern, ohne diese gegenüber den anderen, im konkreten Fall auch gegenüber den Deutschkärntnern zu üben.“ (S.104)

„Kritisch“ vermerkt Feldner aber auch gewisse „Toleranzdefizite“ auf der eigenen Seite, da diese dazu neige, Toleranz mit „Selbstaufgabe“ zu verwechseln. Dies sei ein Ausdruck der Verängstigung und Verunsicherung bei den eigenen Leuten. Gegen diesen Mangel an „nationalem Selbstbewusstsein“ will Feldner künftig auch in der Öffentlichkeit vehement auftreten, indem er den Menschen klar macht, sie müssten keine Angst haben, denn: „Wir sind die Mehrheit!“ – „Wir sind die Mehrheit, die keine Angst mehr zu haben braucht, die in Südkärnten 90 Prozent und in ganz Kärnten 96 oder 97 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht.“ (S. 70) Feldner stellt also in Aussicht, künftig als Friedensengel durch Südkärnten zu ziehen mit der Botschaft: „Fürchtet euch nicht! Die Slowenen sind klein und ungefährlich!“ – Ein wirklich überzeugendes Argument von einem glaubwürdigen Sprecher vorgebracht! Feldner meint, auf diese Weise sollte es doch der Mehrheit keine Probleme machen, die „großzügig zuerkannten Rechte und Einrichtungen“ der kleinen slowenischen Volksgruppe zu akzeptieren. Und umgekehrt sollte „die Erfüllung von noch offenen Forderungen der Deutschkärntner“ für die Slowenen kein Problem darstellen. (S. 70)

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Toleranz ist also, so wie alles in diesem Gespräch und wie in der Beziehung von KHD zu Kärntner Slowenen überhaupt, eine Art Geschäftsbeziehung. Zum Beispiel: Wenn sich der KHD für die Erfüllung der Rechte der Kärntner Slowenen stark macht, müssten diese sich dafür einsetzen, dass die Rechte der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien staatlich anerkannt werden. Oder: Der KHD akzeptiert, dass die Vereine der slowenischen Volksgruppe vom Bund finanzielle Förderungen erhalten. Deshalb wird von den Slowenen das Gleiche verlangt, nämlich Verständnis für die Forderung nach finanzieller Gleichstellung der Deutschkärntner Vereine. Dies zeige nicht nur die Bescheidenheit des KHD sondern auch seine “Toleranz”, denn schließlich sind die Deutschkärntner die überwiegende Mehrheit; entsprechend dieser Mehrheit müssten eigentlich die KHD-Vereine ungleich mehr Geld bekommen als die slowenischen Vereine.

Feldner, der sich im „Dialog” als ein Vorbild an Toleranz und nationalem Selbstbewusstsein präsentiert, konnte nach eigenen Aussagen gegenüber der slowenischen Volksgruppe immer schon „Toleranz” walten lassen, da er in ihr nie eine „Bedrohung” sah. Feldner sagt, er sei diesbezüglich immer „Realist” gewesen, denn 10.000 oder 20.000 Slowenen könnten doch an sich für die Mehrheit keine Bedrohung darstellen: „Die sind als Gruppe kein Machtfaktor”. Diesen Realismus hat das KHD-Fussvolk offenbar nicht geteilt. Deshalb musste Feldner in den KHD-Aussendungen immer auf das noch vorhandene „Bedrohungsgefühl” der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung Rücksicht nehmen. Die „angeblich scharfe Schreibweise” im KHD-Blatt rechtfertigt Feldner deshalb so: Man wollte mit den diversen Massenaussendungen nur erreichen, „dass auch der einfachste Mensch unsere kritischen Aussagen versteht” (S. 44). Mit diesen „kritischen Aussagen” bezog man sich ausschließlich auf die maßlosen Forderungen von Slowenenorganisationen und auf Behauptungen des damaligen kommunistischen Jugoslawiens, das sich ständig in die Kärntner Angelegenheiten eingemischt habe. Der KHD habe also nur die einfachen Leute, die verunsichert und irregeleitet waren – vermutlich von der slowenischen Übermacht – wieder auf den Weg des nationalen Selbstwertgefühls bringen wollen. Leider sei das von den Slowenen immer missverstanden worden, obwohl die Auslöser für die „angeblich scharfe Schreibweise” des KHD-Blattes in der slowenischen Mediendominanz zu suchen seien. Feldner ist heute noch davon überzeugt: Durch die massive mediale Unterstützung, die die Kärntner Slowenen österreichweit und europaweit genossen haben und immer noch genießen (!) und durch das mediale „Totschweigen” (S. 53) aller „Gegendarstellungen” von Deutschkärntner Seite sei bei der Mehrheitsbevölkerung das Gefühl entstanden, die große Gruppe der 500.000 deutschsprachigen Kärntner wäre eigentlich die Minderheit. Zu dieser Mehrheits-Minderheits-Umkehr käme noch, dass die Kärntner Slowenen als eine Art „fünfte Kolonne” Jugoslawiens, als „titokommunistischer Vorposten”, wahrgenommen wurden. Dass diese „Wahrnehmung” auch eine „Leistung” des KHD war, wird im „Dialog” nicht zum Thema gemacht.

Die Geschichte der KHD-Propaganda, die sich ja nicht nur gegen die zweisprachige Schule richtete, sondern auch gegen slowenische Firmen und Betriebsansiedlungen, gegen slowenische Kindergärten, Musikschulen, Kulturvereine, Gottesdienste und immer auch gegen Exponenten, die sich für Rechte und Anliegen der Kärntner Slowenen einsetzten, diese Geschichte wird jedenfalls im Gespräch bzw. Buch nicht kritisch aufgearbeitet. Dabei hätte Marjan Sturm genügend gutes wissenschaftlich aufbereitetes Material gehabt, die KHD-Hetzpropaganda der letzten 50 Jahre von A bis Z vorzuführen. Sturm begnügt sich aber mit dem schon abgenutzten „Schlussstrich“- Zitat aus dem „Ruf der Heimat“ von 1970, das dann von Feldner auch prompt „entkräftet“ wird, weil es aus dem Zusammenhang herausgerissen sei.

Diese Art des spontanen, ausdrücklich nichtwissenschaftlichen Meinungsaustausches, bei dem alltagssprachlich gleichsam „aus dem hohlen Bauch” argumentiert wird und bei dem alle Assoziationen zugelassen sind – egal ob sie aus den Kenntnissen der Verhältnisse in Südafrika, Ex-Jugoslawien, Irland, Friaul, Slowenien oder Südtirol stammen – trägt den Kern der unverbindlichen Plauderei schon in sich. Dies erklärt auch, dass sich das Gespräch in diesen drei Tagen mehrmals im Kreise dreht und kein anderes „Ergebnis“, als das erbringt, was ohnehin schon früher als Konsens oder Dissens fixiert worden war.

Die inhaltlichen Wiederholungen und die zum Ritual erstarrte Dialogstruktur, die nur durch längere Monologe oder Zitate unterbrochen wird, ermüden den Leser, der schon nach dem ersten Tag eigentlich weiß, was hier gespielt wird, der aber weiter liest, weil er sich doch noch Neuigkeiten oder zumindest „Überraschungen“ erwartet. Solche bleiben aber aus. Nachdem am ersten Tag zum aktuellen Thema „zweisprachige Ortstafeln“ schon hinreichend kenntlich gemacht wird, worin der „Konsens“ besteht, kommt am zweiten und dritten Tag zu dieser Thematik kaum etwas Neues hinzu. Ein „in die Tiefe führender Dialogprozess“ gelingt nicht, denn dazu sind die beiden Redner viel zu sehr aufeinander eingespielt und alte Routiniers in solchen öffentlichen Auftritten.

Nur an einer Stelle bekommt das Gespräch so etwas wie Tiefe, nämlich dort, wo die Redner über die traumatischen Erlebnisse in ihren Familie erzählen. Dass es solche auch bei Feldner gegeben hat, war bisher nicht bekannt, aber zu vermuten, denn aus solchen Deutschkärntner Familienbiografien speist sich in der Regel das Engagement für die „deutsche Sache“. Das war bei Feldners Vorgänger, dem Vereinsobmann der „Windischen“, Valentin Einspieler, gut nachzuvollziehen. Die Überidentifikation der „Windischen“ mit dem Kärntner Deutschtum neigte zu einem besonderen Habitus, den man in der Psychologie „Identifikation mit dem Aggressor“ nennt. In der Tat war Einspieler ein besonders verbissener Verfechter aller KHD-Anliegen, egal ob es nun um die Säuberung von Südkärnten von zweisprachigen Ortstafeln oder von Partisanendenkmälern ging.

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Nachdem der Ortstafelkonsens ja schon besiegelt war, wendet sich Feldners Hauptsorge beim gegenwärtigen Ortstafelkonflikt nun verstärkt dem „Imageschaden für Kärnten“ zu. Er fühle sich verantwortlich für das „Ansehen unseres Kärntnerlandes“. Das hört sich nach einem echten Lernprozess an, denn man neigt zu der Frage: Wo war diese Verantwortlichkeit früher, als der „Heimatdienst“ noch für die Deutscherhaltung Kärntens kämpfte? Aber auch darauf weiß Feldner eine Antwort (siehe weiter unten).

Abgesehen vom „historischen Ortstafelkonsens“, bei dem man sich auf ein gewisses Minimum an neu aufzustellenden Ortstafeln geeinigt hat, bleiben noch die ergänzenden Vereinbarungen zu klären. Sturm ist für eine „Öffnungsklausel“. Feldner eigentlich auch, nur sagt er dazu lieber „direktdemokratisches Antragsrecht“. Das meint, ein allen Bürgern garantiertes „Petitionsrecht“. Aus einer Petition könne niemand einen Anspruch auf Realisierung ableiten, das sei logisch. Für Feldner ist das auch der springende Punkt: Mit einer Petition ist kein Rechtsanspruch verbunden, denn so etwas wäre für den KHD „nicht vertretbar gewesen“.

Die Vorstellung von Sturm ist offensichtlich die einer Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses auf Raten und eine „Entscheidungspflicht“ des Bundes bei Antragstellungen; so habe er, Sturm, das mit Schüssel schon ausgehandelt gehabt. Gescheitert sei es dann immer an neuen Forderungen des Kärntner Landeshauptmannes. Das sieht Feldner im Prinzip genau so und rechnet vor (auf der Grundlage der Volkszählungen von 1991 und 2001), „wie wir zu unserem Kompromiss gekommen sind“ (S. 29 f). Der „Kompromiss“ sei schon bis auf 38 strittige Orte ausgehandelt gewesen, inklusive „Stufenplan“, als Haider und der Abwehrkämpferbund (KAB) aus dem Kompromiss ausgestiegen sei. Na ja, eigentlich wären es nur einige KAB-Spitzenfunktionäre gewesen, die nicht mehr mitzogen. Mit der Mehrheit der KAB-Mitglieder wolle Feldner unbeirrt für eine „Gemeinsamkeit“ (zwischen den beiden Vereinen KHD und KAB) eintreten und sich für den „Ortstafelkonsens“ stark machen. Sturm plädiert dagegen mehr für einen „interkulturellen Dialog” in den Dörfern, da die zweisprachigen Ortstafeln allen gehören würden. Vertrauensbildende Maßnahmen sollten den Menschen die Ängste (vor neuen Ortstafeln oder noch besser, vor den Slowenen überhaupt) nehmen. Genau dieser Ansicht ist Feldner auch. Sollte es „massive Widerstände” bei Ortstafel-Anträgen geben, unter Umständen auch von Teilen der slowenischen Minderheit (!), sollte man die Sache eben zurückstellen, meint Feldner um „Ausgleich” und „Versöhnung” bemüht. Denn so viel Verständnis müsse man den verängstigten Menschen – auch in der slowenischen Minderheit soll es solche geben (!) – schon entgegenbringen, dass man dann auf ein „Antragsrecht” eben verzichtet. Nach dem Verständnis von Feldner sei das eben auch ein Aspekt der von beiden Seiten geforderten „Toleranz”.

Feldner hat seine neue Rolle gefunden: Er tritt als engagierter Don Quichotte auf. Er kämpft gegen Windmühlen, die er früher aufgestellt und eifrig in Gang gehalten hat. Jetzt hat er offensichtlich ein Problem mit dem Wind, wenn er sagt, zuerst (!) müsse bei der Ortstafelfrage dieses „Marksteindenken“ in Südkärnten beseitigt werden. Zweisprachige Ortstafeln würden eben KEIN „slowenisches Territorium“ abstecken. Den Menschen müsse diese heute nicht mehr begründete Angst genommen werden (S. 33). Viel Geduld und Überzeugungskraft sei dazu notwendig.

Da sich Sturm zu dieser „Aufklärungsarbeit“ bekannt hat, hat Feldner auch gleich einen guten Tipp für ihn parat: Die „slowenische Seite“ wäre gut beraten, nicht immer mehr zweisprachige Ortstafeln zu verlangen!

Der Kämpfer gegen die selbst errichteten Windmühlen beklagt, dass Politik und Medien die seit Jahrzehnten bestehenden Dialogbemühungen des KHD „glatt ignoriert“ hätten. Die „Zugeständnisse“, die der KHD jetzt den Slowenen im Dialogprozess machen würde, wären leider auch für einige Mitglieder und KHD-Gruppen noch nicht nachvollziehbar. Auch sei „die Unterstützung von Parteien ist bisher ausgeblieben“. Und völlig unverständlich sei die fehlende Unterstützung durch den Landeshauptmann Haider, der sich doch zuvor um die Einigung am „Runden Tisch“ so verdient gemacht hätte. Schmerzlich auch, dass Feldner im Vorjahr von den offiziellen Kärntner Landesfeiern zum 10. Oktober ausgeladen und „Opfer“ von verbalen Angriffen einzelner aus anderen „Heimatorganisationen“ wurde.

Die Annahme, dass es sich bei dieser „Ausladung” um eine klammheimliche Racheaktion vom Landeshauptmann und mehrfach zuordenbaren „einfachen” KHD-Mitglied Jörg Haider handeln könnte, liegt eigentlich auf der Hand: Feldner hat mit dem rechtsnationalen Frontmann der FPÖ, Andreas Mölzer, und mit zwei Slowenenorganisationen in der Ortstafelfrage einen „Konsens” erzielt. Der eigentliche Spielmacher, der BZÖ-Landeshauptmann – früher enger Gesinnungskamerad von Mölzer und jetzt politischer Konkurrent – war nicht überall dabei und konnte offenbar das Ergebnis des „Dialogs” zu wenig beeinflussen. Es kam also zu einer gewissen Verstimmung auf der deutschnationalen Seite. Man kann aber davon ausgehen, dass sich dieser „Konflikt” leicht bereinigen lässt. Spätestens dann, wenn der Kulturreferent und Landeshauptmann Jörg Haider damit droht, die KHD-Vereine von seiner Förderliste zu nehmen, ist dieser „Konflikt” beigelegt und Josef Feldner wieder ganz auf Haiders Linie – mit oder ohne Marjan Sturm.

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Durch diese politischen Unstimmigkeiten, die die Dialogbeteiligten selbst herbeigeführt haben, in dem sie nicht alle politischen Zuständigkeiten und Eitelkeiten berücksichtigt haben, scheint der anfängliche Elan der „Konsensgruppe” etwas erlahmt zu sein. So schleppt sich auch das Gespräch müde dahin und Feldner stimmt auf Seite 38 das Klagelied an:

Noch gehen wir, die Konsensgruppe (Karner, Sturm, Sadovnik, Stritzl, Feldner) weitestgehend allein unseren Weg.

Diese depressive Stimmung überrascht, da doch alle Beteiligten gewusst haben, dass ihr Dialogisieren für das politische Handeln konsequenzenlos sein wird, da sich Haider schon frühzeitig auf eine „Nulllösung“ festgelegt hatte. Alle KHD-Organisationen konnten sich daran orientieren. Eine „Arbeitsteilung“ lag nahe: Die eine Fraktion der „Heimatdienst“-Mitglieder, die eher zum karten Kurs des „Abwehrkämpferbundes“, des Kameradschaftsbundes und der „Ulrichsberggemeinschaft“ tendierte, entschied sich, mit dem kompromisslosen Haider-Kurs das traditionelle KHD-Klientel zu bedienen und zu sichern. Die andere Fraktion ging mit Feldner und Sturm auf „Versöhnungskurs“ und konnte jene KHD-Mitglieder binden, die von der Deutschtümelei der Vergangenheit die Nase voll hatten. Nach der Aussage von Feldner konnten mit seinem Kurs sogar eine Reihe neuer Sympathisanten und KHD-Mitglieder gewonnen werden.

Ob Marjan Sturm für seinen Verein auch so eine erfreuliche Bilanz ziehen konnte, darüber schweigt die Geschichte. Es war auch noch nichts darüber zu hören, dass durch den Konsenskurs von Sturm der Zentralverband Slowenischer Organisationen (ZSO) auf die Förderliste von Feldner oder Haider gekommen ist. Also ist der ZSO noch kein richtiger Verein von „Heimattreuen“.

Im Sinne der „Gleichbehandlung“ aller Heimatvereine wäre dem ZSO eine Landesförderung zu wünschen, zumal Sturm so viel auf die „Verantwortung der politischen Eliten“ setzt. Das sollte honoriert werden, ist es doch so etwas wie eine Absage an seine „Jugendsünden“ – das Beschmieren bzw. Ergänzen von Ortstafeln mit slowenischen Bezeichnungen in den 70er Jahren.

Das Verantwortungsthema nimmt Feldner besonders gerne auf, kann er sich doch damit auch in die Reihe der verantwortungsbewussten politischen Eliten stellen – sogar am Beispiel des Ortstafelsturms. Feldner war, gemäß Eigendefinition, an der „Deeskalation” des Ortstafelkonflikts von 1972 wesentlich beteiligt. Die Gegensteuerung zur „Spontanaktion” der flächendeckenden Ortstafeldemontage im Oktober 1972 sei ihm durch die Einberufung einer „friedlichen Großveranstaltung”, von der die Kärntner Medien nur Positives zu berichten wussten, gelungen. „Wien” habe daraufhin auch sofort positiv reagiert. Das Ortstafelgesetz wurde zurückgenommen und nach eingehenden Verhandlungen die Verordnung von 1977 erlassen.

Dies ist eine die Wirklichkeit grotesk verzerrende, aber schon längst bekannte KHD-Selbstdarstellung. Die Moderatoren, die dies sicher nicht ironisch sondern schlicht naiv meinen, fragen an dieser Stelle sogar noch nach, ob denn das Ortstafelgesetz von 1972 der Bundesregierung für den KHD nicht ausreichend im Sinne einer „partizipativen Demokratie” gewesen sei (S. 49). – Eine gute Frage – beantwortet durch die Geschichte, denn diese Art von „partizipativer Demokratie” haben dann die Ortstafelstürmer zur Nachtzeit auf der Straße selbst hergestellt. Es war die ultimative Ortstafelnulllösung von 1972. Feldner ersucht um Verständnis für diese „spontane Aktion”: Damals seien ja auch die Ängste auf Deutschkärntner Seite noch berechtigt gewesen! (S. 50)

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Es würde zu weit führen, dieses Gesprächsmuster durch alle weiteren „Urangst“-Themen (Ausgesiedelte, Partisanen, Verschleppte, slowenische Gebietsansprüche, slowenische Karten und Atlanten, Euroregion, Symbole auf Münzen, 10. Oktober Feiern usw.) zu verfolgen. Die beiden Redner schneiden alle gängigen Themen an, die seit jeher den spezifischen Kärnten-Diskurs ausmachen.

Auf beiden Seiten wird mehr Sensibilität und Verständnis eingemahnt, Bedauern dort geäußert, wo es um „Verbrechen an unschuldigen Menschen“ geht, auf „strikte Gegenseitigkeit“ bei Minderheitenrechten Wert gelegt (Feldner, S. 74), eine Abkehr von der NS-Ideologie verlangt, die über eine „plakative Distanzierung“ (Sturm) hinausgeht. Und Feldner nochmals: Die Slowenen sollten keine überhöhten Forderungen stellen, denn der Artikel 7 sei ohnehin schon erfüllt und weitere „Zugeständnisse“ könnten nur dann gemacht werden, wenn mit viel Geduld, Ausdauer und Aufklärung dem „skeptischen und irregeführten Teil der Deutschkärntner“ (S. 74) deutlich gemacht würde, dass „das nationale Denken der Slowenen nicht mit Gebietsforderungen“ gleichzusetzen sei.

Nach so viel demonstriertem Verständnis darf der Hinweis von Feldner auf die mangelnde Dankbarkeit der Slowenen gegenüber Österreich – „bei der Fülle an zuerkannten Rechten und Einrichtungen“ – nicht fehlen. Dieses „Argument“ ist auch nicht neu. Das hat sich Feldner von Haider abgeschaut, der schon Mitte 2002 gesagt hat: Bevor weitere Verhandlungen stattfinden würden, sollte sich die slowenische Minderheit bei ihm bedanken für die vielen Vergünstigungen, die sie schon erhalten habe.

Und abermals demonstriert der Sprecher des Mehrheitsvolkes seine Großzügigkeit. Feldner bekennt sich zur Förderung der „natürlichen Entwicklung der Slowenischkärntner“; dies dürfe aber „nicht zu Lasten der Mehrheitsbevölkerung“ gehen (S. 203). – Also alles beim Alten: Gnadenakte für die Minderheit, aber nur bei „Zumutbarkeit“ für die Mehrheit; statt Rechtsansprüche zu stellen, sollte die Minderheit Dankbarkeit für die Gnadenakte zeigen.

In der zweiten Hälfte des Gesprächs können die Moderatoren die Selbstdarstellungen und Monologe der Redner doch noch unterbrechen, um eine „kritische Machtanalyse“ einzufordern (S.117). Da zeigt sich das Gesellschaftsverständnis von Feldner, der die kleine Welt seiner Kärntner Heimat so erklärt: „Staatsmacht“ habe keine der beiden Gruppen. Die Slowenen würden aber über mehr „Medienmacht“ verfügen. – Wer jetzt daran denkt, dass auch den Juden immer vorgeworfen wurde, sie hätten die gesamte Weltpresse in ihrer Hand, der denkt „unversöhnlich“, denn Feldner meint ja nur: Politik und Medien sollten sich etwas ernsthafter mit den „recht bescheidenen und keineswegs unerfüllbaren Wünschen“ der Mehrheit auseinander setzen. Die Moderatoren finden es an dieser Stelle für wichtig nachzufragen, um welche Wünsche und Forderungen es denn da gehe. Daraufhin Feldner: Förderung von Vereinen, Gleichgewichtung in der Kirchensprache, Beseitigung von falschen Proportionen im Schulbereich:
„Hier gibt es seitens der Mehrheitsbevölkerung Klagen über eine überproportionale Präsenz von slowenischsprachigen Lehrern auch an Schulen mit überwiegend deutschsprachigen Kindern und auch Benachteiligungen dieser Kinder durch slowenischsprachige Lehrer“ (S. 121).

Spätestens an dieser Stelle zeigt sich, dass der Feldner von 2006 der gleiche Feldner ist, der schon vor 20, 30 und mehr Jahren den gleichen Unsinn und die gleiche KHD-Agitation vertreten hat. Spätestens hier müssten eigentlich Sturm und die Moderatoren erkannt haben, dass dieser „Dialog“ zur Zumutung für rational argumentierende Menschen, zum sinnlosen Unterfangen und zum absoluten Fehlschlag für die Demokratie geworden ist.

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Wie ist dieses Buch nun tatsächlich einzuschätzen, da es nun schon einmal produziert, verkauft, verteilt und vereinzelt auch gelesen wurde. Die öffentlichen Reaktionen auf das Erscheinen des Buches waren überwiegend positiv. Wer wird schon ein Buch kritisieren, zu dem der Bundespräsident und ein bekannter Friedensforscher wohlmeinende Vorworte beigesteuert haben? Die Frage ist berechtigt: Was soll denn an einem „Dialog“ von zwei angeblichen „Kontrahenten“ schlecht sein, wenn sie sichtlich bemüht sind, auf einander zuzugehen bzw. an einem Tisch Platz zu nehmen, um ihre Meinungen einträglich und friedlich auszutauschen? Schaden wird dadurch wohl keiner angerichtet, oder?

Bei oberflächlicher Betrachtung und in Unkenntnis der politischen Verhältnisse und Verflechtungen in Kärnten könnte der Feldner–Sturm-Dialog als ein gehobenes Biertischgespräch bezeichnet werden, wie dies auch das Titelbild des Buches nahe legt. So einfach sollte man es sich aber nicht machen, denn was der Buchtitel suggeriert, muss einer kritischen Analyse unterzogen werden. Selbst wenn von zwei „ehemaligen Kontrahenten” die Rede gewesen wäre, würde dieser Untertitel falsche Erwartungen wecken. Feldner und Sturm sind sich schon vor 10 Jahren handelseins geworden. In einer Untergruppe des „runden Tisches” handelten (unter der von Wolfgang Schüssel empfohlenen Moderation von Stefan Karner) Marjan Sturm, Nanti Olip und Josef Feldner einen Kompromiss zur Frage der zweisprachigen Kindergärten in Kärnten aus. Fachliche Kompetenz und politische Zuständigkeit der Verhandler wurden schon damals ungefragt vorausgesetzt. Pädagogen oder andere Fachleute wurden zu dieser Arbeitsgruppe nicht beigezogen. Offensichtlich ging es damals, ähnlich wie jetzt beim „Dialog” zwischen Feldner und Sturm, um einen politischen Handel, den Karner im Auftrag von Schüssel und dem damaligen Landeshauptmann Zernatto einzufädeln hatte. Pech für Feldner und Sturm, dass weder Schüssel noch Zernatto heute mehr die Spielmacher sind, die mit Personen und Meinungen am politischen Parkett ihre Schachzüge vorbereiten und durchführen können.

Der „Dialog der Kontrahenten“ ist nicht mehr oder weniger als eine Spiegelfechterei für ein Publikum, das die beiden „Kontrahenten“ nur vom Hörensagen kennt. Dabei gelingt es den Moderatoren nicht wirklich, Feldner und Sturm als „Kontrahenten“ zu präsentieren bzw. aufzubauen. Wahrscheinlich war das auch nicht die Aufgabe der Moderatoren, die überdies – offensichtlich unkundig der historischen und politischen Verwerfungen und Verflechtungen in der Kärntner Volksgruppenpolitik – am Ende der Diskussion betonen, sie hätten bei dem Gespräch sehr viel gelernt. Was sie gelernt haben, das verraten sie freilich nicht.

Schwerer wiegt, dass schon im Untertitel der Begriff „Dialog“ vorkommt und eine Gesprächskultur suggeriert, die nicht der Kärntner Wirklichkeit entspricht. Gerade der Begriff „Dialog“ hat in der Geschichte des Kärntner Volksgruppenkonflikts eine unsägliche Vorgeschichte. Es ist eine Geschichte des politischen Missbrauchs. Der „Neue Dialog“, der von Karel Smolle schon vor 20 Jahren ausgerufen wurde, hat in einem Desaster für die slowenische Volksgruppe geendet. Durch den Schultrennungspakt von Smolle mit SPÖ, ÖVP und FPÖ (unter Jörg Haider) hatte Karel Smolle die breite Solidaritätsbewegung der Deutschsprachigen für die Rechte der Kärntner Slowenen gesprengt und innerhalb eines Jahres zum Verschwinden gebracht. Kurzzeitig war Smolle der von den Medien bejubelte Held der „Kärntner Einheit“, ähnlich wie Feldner und Sturm vor einem Jahr. Von den Grünen wurde Smolle, der sich für den „Konsens“ mit der Haider-Partei instrumentalisieren ließ, wegen seiner unberechenbaren Packelei aus dem Nationalrat zurückgezogen. Für die Medien und die Parteien, ausschließlich an tagespolitischen Sensationen orientiert, war schon einige Zeit vorher der „Neue Dialog“ kein Thema mehr. Ob Versprechungen und „Zugeständnisse“, die Smolle zum „Konsens“ mit dem SPÖ-ÖVP-FPÖ-Dreiparteienpakt bewogen haben, jemals eingelöst wurden, ist nicht bekannt.

Geblieben ist zweierlei: Der Begriff „Dialog“ wurde im politischen Umfeld Kärntens nachhaltig diskreditiert. Er gilt seither als Deckbegriff für die Kumpanei mit den politisch Mächtigen. Er kann so lange nicht mehr positiv besetzt werden, als dieses Desaster von Politik und Volksgruppe nicht aufgearbeitet wird.
Fazit: Kärnten lässt sich heute mittels eines „Dialogs“ nicht mehr „neu denken“.

Die slowenische Volksgruppe in Kärnten, die in den 70er und 80er Jahren durch eine österreichweite Solidaritätsbewegung eine enorme Rückenstärkung erfuhr, hat seit der Ausrufung des „Neuen Dialogs” ihr politisches Gesicht und ihr politisches Gewicht verloren. Dies ist u.a. daran erkennbar, dass sich jetzt sogar schon der KHD-Obmann Josef Feldner zum Retter der slowenischen Minderheit aufspielen kann. Sturm legt dies Feldner geradezu nahe. Sturm erwartet sich von Feldner, dass dieser den zahlenmäßigen Rückgang der Slowenen „bedauere” und sich überlege, ob es gut gewesen sei, dass die Zahl der Slowenen so stark zurückgegangen ist (S. 197). Tatsächlich, Feldner „bedauert diese Tatsache”. Wie sollte er auch anders reagieren. Er kann ja nicht gut öffentlich sagen, dass ihn dieser zahlenmäßige Rückgang freue, weil er als ein Erfolg der jahrzehntelangen KHD-Agitation zu verbuchen ist. Deshalb weist Feldner auch nur auf die „natürliche Entwicklung”, auf die „freiwillige Assimilation” der Slowenen und auf „andere Faktoren” hin – und verlangt im Gegenzug, die Slowenen sollten „das Verschwinden der Windischen bedauern” (203).

Man hat den Eindruck, noch lieber als für den Erhalt der slowenischen Volksgruppe würde sich Feldner für die „Kärntner Windischen” einsetzen – wenn es sie noch gäbe. Nach der KHD-Version sind nämlich die „Nationalslowenen” am Verschwinden der „Windischen” schuld.

Dazu passt die (ernst gemeinte) „Informationsfrage“ der Moderatoren zu einem anderen KHD-Dauerbrenner, dem der „heimattreuen Verschleppten“ in den Wochen nach dem 8. Mai 1945. Die Moderatoren: „Sind damals auch sogenannte Windische verschleppt worden? Oder nur deutschsprachige Kärntner und Kärntnerinnen?“ (S. 143) Der darauf folgende „Dialog“ kann als bekannt vorausgesetzt werden, denn er wurde von beiden Rednern schon x-mal durchexerziert.

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Der Titel des Buches „Kärnten neu denken“ ist vielversprechend. Das haben Titel so an sich, sollen sie doch in erster Linie zum Kauf des Buches anregen. Was ist nun aber tatsächlich „neu“ an den geäußerten Gedanken und Monologen der beiden Redner?

Für jemanden, der in den letzten 25 Jahren die öffentlichen Reden, Aussendungen und Statements von Marjan Sturm verfolgt hat, wird das Buch nichts Neues bringen. Seine Redebeiträge sind überwiegend im europäischen Mainstream, d. h., sie liegen auf der Linie der allgemeinen Entwicklung in Europa. Hätten seine Visionen von einem multikulturellen Kärnten und einem interkulturellen Zusammenleben, seine Konzepte von einer regionalen Mehrsprachigkeit und von einem grenzüberschreitenden Dialog in Kärnten Chancen auf eine Umsetzung, dann wäre dies in der Tat ein Schritt in eine neue Zukunft.

Mit Feldner darüber zu diskutieren, ist verlorene Liebesmühe. Feldner kann sich auch gar nicht darauf einlassen, denn die KHD-Konzepte sind ident mit denen von BZÖ und FPÖ: „Multi-Kulti“, ethnische Vermischungen und „Völkerbrei“ werden strikt abgelehnt. Der Trend, so sagen es alle rechtslastigen Nationalisten, ginge europaweit in Richtung Verstärkung des nationalen Bewusstseins und zu ethnisch abgegrenzten Gesellschaften. Andreas Mölzer, KHD-Vorstandsmitglied und ideologischer Vordenker der rechtsextremen FPÖ (die früher von Haider angeführt wurde und die jetzt unter Strache an den rechten Rand Europas schlittert), hat dieses Konzept der fein sortierten und hierarchisch gegliederten nationalen Gesellschaften an vielen Stellen seiner Veröffentlichungen dargelegt.

Das Konzept heißt „Ethnopluralismus“ und eignet sich vorzüglich zur Verpackung von Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus. Für Mölzer sind deshalb solche Wahlkämpfe, wie sie die FPÖ-Mandatare in Wien und Graz geführt haben, wahre Hochzeiten für seine Ideologie der Rechtfertigung des abendländischen „Abwehrkampfes“ gegen außereuropäische „Ausländer“ – früher gegen die „Slowenisierung“ und heute gegen die „Islamisierung“.

Marjan Sturm kennt dies sicher alles aus Büchern und aus direkten Kontakten mit Feldner und Mölzer. Dennoch ist Sturm offenbar bereit, Feldner und Mölzer im Doppelpack als neue Dialog- und Bündnispartner zu akzeptieren. In der ÖVP, vom Ex-Kanzler Schüssel über den Kärntner EU-Abgeordneten Pirker bis hin zu dem Schüssel-Berater Karner, wird diese Koalition, die durch Fotos im Buch zusätzlich illustriert ist, niemanden stören.

Selbst wenn der Rechtsextremismus in Kärnten schon weit in die Mitte der Gesellschaft eingesickert ist, ist die Paarung Sturm-Feldner/Mölzer eine echte Neuigkeit für die Politik in Kärnten. Der „freiheitliche“ EU-Abgeordnete Andreas Mölzer, der gegenwärtig gerade an einer ultrarechten nationalen Europapartei bastelt (mit dem Front National von Le Pen, dem Vlaams Belang und anderen rechtsextremen Bündnispartnern an seiner Seite) wird vielleicht sogar bei den „liberalen“ Nationalisten punkten können, wenn er in Brüssel damit hausieren geht, dass in Kärnten jetzt auch schon zwei Organisationen der slowenischen Minderheit „mit im Boot“ sind. Vor diesem Hintergrund war der Paarlauf von Smolle und Haider vor 20 Jahren noch vergleichsweise bieder und hausbacken.

Im Buch erfährt man gegen Ende hin, dass dem Friedensforscher Johan Galtung „eine Friedensregion Kärnten – Slowenien – Friaul” vorschwebt. Dieses Projekt wird im „Dialog” auch von Sturm und den Moderatoren, Graf und Kramer, favorisiert. So wünschenswert dieses Konzept auch ist, den KHD dafür als Partner gewinnen zu wollen, ist ein (schlechter) Witz der Geschichte. Der KHD ist wohl die unglaubwürdigste Organisation für so eine Partnerschaft des Friedens. Glaubwürdig wäre der KHD nur dann, wenn er sich selbst auflösen würde. Kärnten ohne KHD wäre dem Friedensprojekt schon längst viel näher gekommen als es durch den „Dialog” heute ist. Abgesehen davon, Feldner versteht gar nicht, was denn mit so einer „Friedensregion” gemeint sein könnte, denn zwischen Kärnten und Friaul gäbe es ohnehin kein „Volksgruppenproblem”. Es gäbe auch „keine einzige Forderung von Kärntner Seite für Deutschsprachige im ehemaligen Kanaltal” (S. 219)! So eine „Bescheidenheit” der Deutschkärntner Seite könnten sich die Slowenen für ihre Anliegen zum Vorbild nehmen, denn im „ehemaligen Kanaltal” gäbe es sehr wohl noch einige Deutschsprachige. Und „für ein gemeinsames Auftreten gegenüber Brüssel” (!) wäre so ein überregionaler Zusammenschluss ohnehin nicht nötig (Feldner, S. 220).

Vielleicht sitzt für den KHD der neue Gegner jetzt in Brüssel? Jedenfalls gibt es einige KHD-„Forderungen”, wie die nach einem „europäischen Minderheitenrecht”, die Feldner an Brüssel zu richten wüsste. Das KHD-Vorstandsmitglied Andreas Mölzer will dagegen den Kampf gegen den „europäischen Verfassungsschwindel” in Brüssel offensiv führen. Da geht es nicht mehr um irgendwelche ethnische Minderheiten sondern darum, dass das kleine Österreich durch den Reformvertrag „benachteiligt” und in seiner Grundrechtskompetenz übergangen würde. Minderheiten, wie etwa die Kärntner Slowenen, könnten dann vermehrt beim Europäischen Gerichtshof auch „soziale Grundrechte”, wie Diskriminierungsverbot, Recht auf gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen usw., einklagen. Dieser „Abwehrkampf” passt nun tatsächlich hervorragend in die KHD-Tradition. Ob sich Feldner und Mölzer für ihren „Kampf gegen Brüssel” auch die Unterstützung von Marjan Sturm erhoffen oder erwarten, bleibt unausgesprochen.

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Wenn man sich abschließend die Frage stellt, welche persönlichen und gesellschaftlichen Funktionen dieser veröffentlichte „Dialog“ erfüllt, dann liegen folgende Annahmen auf der Hand:

Für beide hat der „Dialog“ die Funktion, sich wieder ins politische Gespräch zu bringen und die eigene Wichtigkeit als „politische Elite“ zu betonen.
Für den KHD ergeben sich daraus mehrere Vorteile.
Mit Sturms Hilfe ist der KHD jetzt endgültig jenseits der „Verbotszone“ des Artikel 7, Absatz 5, des Österreichischen Staatsvertrags. Denn wer könnte jetzt noch für ein Verbot des KHD plädieren, wenn dieser offen als Unterstützer von Anliegen der slowenischen Minderheit auftritt?
Der KHD hat seine Klientel in den Bereich der slowenenfreundlichen Mehrheitsbevölkerung hinein ausdehnen können.
Feldner ist aus dem Kreis der „Verständigungsfeinde, Unverbesserlichen und Miesmacher“ (S. 207) als einer hervorgetreten, der entschlossen ist, „das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen“. Allein dadurch ist ihm der Applaus sicher.
Der KHD hat endlich auch ein Schlupfloch gefunden, durch das ihm die Aufmerksamkeit von überregionaler Politik und Wissenschaft (Politikwissenschaft, Konflikt- und Friedensforschung) winkt.
Feldner kann mit Hinweis auf die „Ortstafellösung“ der sog. Konsensgruppe eine finanzielle Unterstützung des KHD durch Wissenschaft, Politik und öffentlicher Hand für seine „Friedens- und Versöhnungsarbeit“ erwarten.
Als Dialogpartner der slowenischen Minderheit in Kärnten kann der KHD mit größerem Nachdruck seine Forderungen gegenüber Slowenien hinsichtlich der Einlösung von „Minderheitenrechten“ für die Deutschsprachigen vertreten.
Objektiv hat der „Dialog“ die Funktion, die Geschichte des KHD zu verschleiern und zu schönen. Das vorliegende Buch unterstützt durch die Bindung des ethnischen Konflikts an zwei „Repräsentanten“ eine personalisierte Deutung der Geschichte. Das heißt: „Feldner und Sturm im Dialog“ befördern die Entpolitisierung der konfliktreichen Beziehungsgeschichte zwischen Mehrheit und Minderheit. Die Funktion des Dialogs ist deshalb oberflächliche Befriedung und nicht ehrliche Aufklärung. Aufklärungsarbeit und vermehrte Aktivitäten der Politischen Bildung wären in Kärnten aber dringend notwendig. Eine Aufklärung der Öffentlichkeit über die Strategien, Verflechtungen und Machenschaften des KHD – ähnlich wie dies Martin Fritzl in seinem Buch „Der Kärntner Heimatdienst“ (Drava Verlag, Klagenfurt/Celovec 1990) geleistet hat – müsste dabei eine herausragende Stellung einnehmen. Im „Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus“, herausgegeben vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Wien 1993, unter Josef Feldner, Andreas Mölzer und „Kärntner Heimatdienst“ nachzuschlagen, lohnt sich allemal, wenn man sich für die Vernetzungen des rechtsextremen Lagers mit den deutschnationalen und neonazistischen Gruppen interessiert. Nicht unwesentlich ist dabei, dass einige Organisationen, zu denen Feldner und Mölzer Kontakt hatten, inzwischen behördlich aufgelöst wurden.
Der „Dialog“, der sich stellenweise staatstragend und „europäisch“ gibt, verschweigt die neue Marschrichtung des KHD. Diese ist – in Übereinstimmung mit dem BZÖ von J.Haider, der FPÖ von H.C. Strache und A.Mölzer – gebündelt der Aussage zu entnehmen, die ein Mitglied der KHD-Verbandsleitung, Christoph Schintl, im Mitgliedsblatt des KHD kürzlich gemacht hat: „Ich trete dafür ein, dass der westliche Kulturkreis nicht vom Islam überschwemmt wird“. Hier treffen sich also die „Heimattreuen“ wieder. Die Bedrohung heißt jetzt nicht mehr „Slowenisierung“ sondern „Islamisierung“. In dem gemeinsamen Kampf gegen „die schleichende Islamisierung“ ist auch der KHD eingebunden. Der leidige Ortstafelstreit ist angesichts dieser „europäischen“ Zielsetzungen zu einer vernachlässigenden Größe geworden. Die KHD-Karawane der „Heimattreuen“ ist schon längst weiter gegangen. Hat es Marjan Sturm nicht bemerkt? Außer an der „Heimatfront“ (Abwehr von „Asylantenfluten“) steht sie noch an mindestens zwei Fronten: vor Brüssel und vor Istanbul.
Landeshauptmann Haider hat durch die Verrückung von Ortstafeln und durch die Verkleinerung der slowenischen Ortsnamen auf einigen Tafeln die slowenische Volksgruppe gedemütigt, den Rechtsstaat verhöhnt und sich über die Ortstafellösung der „Konsensgruppe“ hinweggesetzt. Für die Kärntner Slowenen ist dies eine Erniedrigung. Für die Republik Österreich sind dies beschämende Zustände. Das alles dürfte der KHD dem Landeshauptmann von Kärnten nicht weiter übel nehmen, da Haider auch in Zukunft der Garant dafür ist, dass in Kärnten die zweisprachigen Ortstafeln keine Vermehrung erfahren, dass keine Moscheen gebaut werden und dass Asylwerber willkürlich in andere Bundesländer abgeschoben werden können. – Die einzig politische relevante Frage für die Zukunft wird nun sein:
Wird die Kärntner Mehrheitsbevölkerung und werden die Kärntner Slowenen den lokalen Machthabern bei diesem Weg der Beugung und Missachtung von rechtsstaatlichen Normen und europäischen Menschenrechtskonventionen beipflichtend und hilfreich zur Seite stehen? Werden sie – durch neue Kärnten-Plattformen und durch die Koalition von Feldner und Sturm ermutigt – ihren Beitrag zur „Rettung des Abendlandes“ leisten und damit auch das national-rechtsextreme Netzwerk von Mölzer u. Co. unterstützen? Oder wird sich in Kärnten eine Opposition dagegen formieren?

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