16 Dec Ethnizität zwischen Tradition und Moderne
Bernhard Perchinig
Statement zur Enquete „Reform des Volksgruppenrechts“,
Wien, Bundeskanzleramt, 3.12.2009
Vom Gründervater der modernen Soziologie, Max Weber, stammt eine der ersten Definitionen von Ethnizität, die diese als Erbe der völkischen Ursprungsmythen der deutschen Romantik versteht und scharf mit dem Rationalitäts- und Leistungsprinzip der Moderne kontrastiert. Weber unterscheidet dabei zwischen „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“, die er wie folgt definiert:
Um „Vergemeinschaftung“ handelt es sich, „wenn und soweit die Einstellung des sozialen Handelns … auf subjektiv gefühlter (affektualer und traditioneller) Zusammengehörigkeit der Beteiligten beruht. Vergesellschaftung soll eine soziale Beziehung heißen, wenn und soweit die Einstellung des sozialen Handelns auf rational (wert- und zweckrational) motiviertem Interessenausgleich oder auf ebenso motivierter Interessenverbindung beruht.“ (Weber 1972, S. 21)
Nicht objektive Charakteristika, sondern der subjektive und voluntaristische Glaube an Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft ist, wie Weber – in zeitgebundener Sprache – formuliert, das entscheidende Kriterium für die Definition von Ethnizität.
„Wir wollen solche Menschengruppen, welche aufgrund von Ähnlichkeiten des äußeren Habitus oder der Sitten oder beider oder von Erinnerungen an Kolonialisation und Wanderung einen subjektiven Glauben an eine Abstammungsgemeinschaft hegen, wenn sie nicht ‘Sippen’ darstellen, ‘ethnische’ Gruppen nennen, ganz einerlei, ob eine Blutsgemeinschaft vorliegt oder nicht.“ (ebd., S. 237).
Dieser Gemeinschaftsglaube, so Weber weiter, können von jedem Mitglied der Gruppe in Anspruch genommen werden, ganz unabhängig von sozialer Position, Alter oder Geschlecht und sei daher für die meisten Menschen höchst attraktiv.
Ausgehend von Webers Dekonstruktion von Ethnizität hat sich vor allem in der angloamerikanischen Sozialwissenschaft ein Diskursstrang entwickelt, der Ethnizität nicht als etwas Naturgegebenes und Vererbtes, sondern als soziales Konstrukt mit historischem Charakter sieht, das als solches zeitgebunden und offen gegenüber Veränderungen ist. Aus dieser Perspektive rücken vor allem die funktionalen Aspekte dieser Konstruktion in den Vordergrund, also die Frage, wie Vergemeinschaftungen auf ethnischer Basis entstehen, aufrechterhalten werden und vergehen und, wer, wann und warum die Kategorie Ethnizität nutzt.
Eine mögliche Antwort auf die letzte Frage formulierte der norwegische Anthropologe Frederic Barth 1969 in seinem bis heute als Klassiker geltenden Buch „Ethnic Groups and Boundaries“. Anders als die meisten Anthropologen und Soziologen seiner Zeit, die ethnische Gruppen als etwas Geschlossenes ansahen und sich vor allem mit ihren jeweiligen spezifischen Charakteristika beschäftigten, legte Barth den Fokus auf die tagtägliche Aushandlung von Gruppengrenzen mittels kultureller Merkmale und die Schnittstellen zwischen verschiedenen Gruppen. Nicht die objektiven Unterschiede und Merkmale, sondern Prozesse der Selbst- und Fremdzuschreibungen bestimmen seiner Analyse nach Ethnizität. Menschen nutzen ethnische Kategorien, um sich gegenseitig einzuschätzen. In diesem Prozess werden bestimmte Merkmale von Differenz als entscheidend aus gewählt und andere ignoriert. Welchen Eigenschaften Bedeutung zugemessen wird, kann nicht vorher gesagt werden – es kann sich dabei um Signale und Zeichen, wie etwa Kleidung, Sprache, oder Lebensstil ebenso wie Wertorientierungen, moralische Standards, Religion oder andere Normsysteme handeln. Die Aufgabe der Forschung sei, so Barth, nicht, Eigenschaften ethnischer Gruppen zu definieren, sondern sich mit der Frage von Grenzziehungsprozesse und Gruppendefinitionen zu befassen:
„The critical focus of investigation from this point of view becomes the ethnic boundary that defines the group, not the cultural stuff that it encloses.” (Barth 1969, p.9)
Dieses interaktionistische Verständnis von Ethnizität als kontinuierlicher Prozess von Selbst- und Fremdzuschreibung brach nicht nur mit der vorherrschenden Tradition der Anthropologie, ethnische Identität und Zugehörigkeit als primordiales „given“ zu sehen, sondern ermöglichte auch die Aufgabe der Vorstellung einer ethnischen Gruppe als geschlossenem System. „Ethnische labels“, so Barth, würden auch bestehen bleiben und auf Einzelne angewandt oder von diesen situativ genützt werden, wenn diese sich gar nicht mehr als Gruppenmitglieder sehen oder sich in vielfältigen sozialen Gruppen bewegen würden. Anders gesagt: Die im gesellschaftlichen Diskurs verwendeten Kategorien zur Beschreibung und Definition einer ethnischen Gruppe haben mit Gruppenzugehörigkeit nicht unbedingt immer etwas zu tun, sie sind nicht mehr als Etiketten, die nach Bedarf aufgeklebt und abgelöst werden können. Weder muss ein Person, die sich dieser Etiketten bedient, Mitglied der über diese konstruierten Gruppe sein oder dieser Etikette eine besondere Bedeutung für die individuelle Identitätskonstruktion haben, noch bedeutet Gruppenmitgliedschaft immer, das die vorhandenen Etiketten genutzt werden, denn diese dienen vor allem der Markierung von Zugehörigkeit und Ausschluss in sozialen Interaktionsprozessen. Stehen Zugehörigkeitsfragen nicht im Vordergrund, verlieren sie an Bedeutung.
Eine zentrale Funktion dieser Grenzziehungsprozesse ist die Erhöhung des Vertrauens- und Solidaritätspotentials innerhalb der Gruppe und das Kenntlichmachen von Zugehörigkeit als Zeichen für Vertrauenswürdigkeit. James S. Coleman (1991, S. 396ff.) hat gezeigt, dass Vertrauen unter der Bedingung unvollständiger Information einen Handlungsvorsprung ermöglicht, allerdings auch einem Gefangenendilemma ähnelt – erweist sich eine Person, der Vertrauen geschenkt wird, als vertrauenswürdig, gibt es für den Vertrauen Schenkenden einen Gewinn, umgekehrt einen herben Verlust. Es ist also durchaus vorteilhaft, wenn es äußere Zeichen gibt, die relativ konsistent Zugehörigkeit und damit erhöhte Vertrauenswürdigkeit signalisieren. Signale der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe, aber auch zu einer Religionsgemeinschaft, sind in diesem Sinn Hilfsmittel bei der Vergabe von Vertrauensvorschüssen. Vertrauen ist die „innere Währung“ von Gemeinschaften und kann als solche eine wichtige Ressource bei der Interessensdurchsetzung sein.
Dichte Vertrauens-, Solidaritäts- und Kontrollnetzwerke geben ihren Mitgliedern bevorzugten Ressourcenzugang gegenüber anderen und können so für den Einzelnen attraktiv und vorteilhaft sein. Ethnische oder religiöse Gemeinschaftsbildungen sind immer auch mit Ressourcenkontrolle und –maximierung verbunden, indem sie ihren Mitgliedern privilegierten Ressourcenzugang sichern. Eine enge Kontrolle der Mitglieder, die Stigmatisierung von abweichendem Verhalten, das Aufrechterhalten patriarchaler Familienstrukturen und mehr oder weniger hinhaltender Widerstand gegen Individualisierung sind die anderer Seite der Medaille.
Diese „thick ethnicity“ kann jeder erleben, der etwa in Wien zu einer türkischen Hochzeit eingeladen ist: Die persönliche Abgabe eines Geld- oder anderen Geschenks jedes Gastes, die laute Nennung des Namens des Schenkenden und der Höhe des Geldbetrags erzeugt ein dicht gewobenes Netz von gegenseitigen Hilfs- und Unterstützungsverpflichtungen und bindet so den einzelnen in die Gemeinschaft ein. Das dies bei Hochzeiten geschieht, ist auch kein Zufall: Das Streben nach Endogamie ist ein wesentliches Charakteristikum starker ethnischer Gemeinschaftsbildung.
Netzwerktheoretisch gesprochen, haben dichte Binnennetzwerke den Vorteil der Maximierung des Zugangs zu den im Netz verfügbaren Ressourcen, allerdings auch den großen Nachteil der eingeschränkten Auswahl dieser Ressourcen. Der amerikanische Soziologe Mark S. Granovetter hat in seinem inzwischen klassischen Aufsatz „The strength of weak ties“ bereits 1973 gezeigt, dass die Einbindung in überlappende Netzwerke deutlich mehr soziales Kapital mobilisieren kann als die dichte Einbindung in ein geschlossenes Netzwerk: Wer über eine Vielfalt lockerer Verbindungen in verschiedene Netzwerke verfügt, muss möglicherweise länger suchen, bis er bei einem einzelnen Problem Unterstützung bekommt, er hat jedoch für eine größere Zahl von Problemen Unterstützungsmöglichkeiten als jemand, der sich in einem geschlossenen Netz bewegt.
Salopp gesagt: Ist der Großteil ihrer Freunde Automechaniker von Beruf, werden Sie immer ein bestens gepflegten PKW besitzen, aber Sie haben vermutlich Schwierigkeiten, einen guten Zahnarzt zu finden. Im Endeffekt haben Sie mehr davon, wenn sich in Ihrem privaten Netzwerk verschiedene Berufe finden, auch wenn Sie vielleicht etwas länger warten müssen, bis der mit Ihnen befreundete Automechaniker Zeit für ein Service für Ihren Wagen hat.
In modernen Gesellschaften wird Zugehörigkeit wesentlich über den Zugang zu Märkten und gesellschaftlichen Institutionssystemen bestimmt; staatlich organisierte Solidar- und Versicherungssysteme haben gemeinschaftlich organisierte abgelöst. Zugangkriterium zu diesen ist nicht Gruppenzugehörigkeit, sondern entweder eine vorherige Einzahlung, Staatsbürgerschaft oder eine längerfristige legale Niederlassung. Gruppenbezogene Solidarsysteme haben in der Moderne den haut-gout des Nepotismus und der nicht legitimen Privilegierung. Hier kommen wir zurück zu Max Webers Entgegensetzung von Gemeinschaft und Gesellschaft: Im Selbstbild meritokratischer Gesellschaften dürfen Herkunft, Aussehen, Hautfarbe, Erstsprache oder andere partikulare Charakteristika keine Rolle beim Zugang zu Ressourcen und der Zuteilung von Lebenschancen spielen. In der Praxis ist die Moderne jedoch nahezu weltweit unvollendet, und Kriterien wie Herkunft oder verschiedene Formen der Zugehörigkeit sind im Alltag immer wieder kehrende Anknüpfungspunkte für Diskriminierungen. In der europäischen Union ist daher auch die Antidiskriminierungspolitik – das Erzwingen der Farbenblindheit des Marktes – das Politikfeld, in dem ethnische Zugehörigkeit als möglicher Anknüpfungspunkt für Diskriminierungen beim Zugang zu Ressourcen und Positionen eine zentrale Rolle spielt. Ziel dieser Vorschriften ist das Schaffen gleicher Ausgangsbedingungen für alle Individuen, unabhängig von ihren partikularen Eigenschaften, in den Märkten und staatlichen Systemen Europas.
Im Gegensatz zu der oben entwickelten Analyse knüpft das österreichische Volksgruppengesetz an Denkfiguren und Kategorien an, die in der internationalen sozialwissenschaftlichen Literatur keine Entsprechung finden. Es definiert eine Volksgruppen als „die in Teilen des Bundesgebietes wohnhaften und beheimateten Gruppen österreichischer Staatsbürger mit nichtdeutscher Muttersprache und eigenem Volkstum“ (Volksgruppengesetz, BG BGBl. 396/1976 in der Fassung der Kundmachung BGBI Nr. 24/1988, § 1.2) und rekurriert damit auf eine bis zur Herder zurückzuführende Vorstellung eines „Volkes“ als geschlossene, durch eine gemeinsame Kultur definierte Identität und zeigt somit ein primordiales Ethnizitätsverständnis, wie es vor allem das völkische Denken der 1930er Jahr gekennzeichnet hat. Wie schon Jochen Blaschke in den späten 1980er Jahren (1985) und Samuel Salzborn (2005) und Gudrun Hentges (2006) kürzlich gezeigt haben, führt eine direkte Linie von der Volksgruppenkonzeption des VGG zum völkischen Denken eines Max Hildebert Boehm, die – durchaus mit antisemitischen Untertönen – als Lehre vom „eigenständigen Volk“ Eingang in die nationalsozialistische Ideologie fand. Ohne hier auf die historischen Entwicklung näher eingehen zu können, ist doch festzuhalten, dass die Autoren des VGG nicht nur von ihren akademischen Lehrern in dieser Tradition geprägt wurden, sondern auch die damals bereits deutlich weiterentwickelte internationale Diskussion zum Thema Ethnizität bewusst – oder vielleicht auch aufgrund mangelnder Vertrautheit mit der englischsprachigen akademischen Welt- nicht wahrnahmen. Außerhalb Österreichs wurde Mitte der 1970er Jahre das Thema Ethnizität bereits deutlich komplexer und differenzierter diskutiert.
So steht nicht nur die die Terminologie, sondern auch die explizit gruppenrechtliche Orientierung des Volksgruppengesetzes und insbesondere seine Volksgruppendefinition in einem deutlichen Spannungsverhältnis zur internationalen wissenschaftlichen Diskussion und lässt sich ausländischen Kollegen nur schwer vermitteln.
Dies wäre eine akademische Marginalie, stünde das VGG nicht auch in einem deutlichen Spannungsverhältnis zu seinem menschenrechtlich begründeten Minderheitenschutz, wie er etwa im Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates zum Ausdruck kommt. Dieses ist klar individualrechtlich formuliert und lässt die Definition von Gruppenzugehörigkeit offen (vgl. Opitz 2007, 86 ff.).
Vor allem im Bildungsbereich gibt es dramatische Unterschiede zwischen einem gruppenrechtlichen und einem menschenrechtlichen Zugang: Ein menschenrechtlich orientierter Zugang ist vor allem an der Ausweitung der Verwirklichungschancen des Einzelnen orientiert und sieht so z.B. das Recht auch Unterricht in der Erstsprache vor allem aus didaktischer Sicht, während ein gruppenrechtlich orientierter Zugang Rechtsgewährung von Gruppenzugehörigkeit abhängig macht. Es gibt keinen menschenrechtlich nachvollziehbaren Grund, warum z.B. zweisprachiger Unterricht in der Erstsprache und in Deutsch nicht auch für Kinder aus Familien, in denen etwa Türkisch und nicht eine Volksgruppensprache als Erstsprache genützt wird, positiv zu sehen wäre. Ein gruppenrechtlich orientierter Ansatz macht den Zugang zu diesen Rechten von ethnischen Kategorien abhängig und schafft so zwei Klassen von Menschen mit unterschiedlichen Rechten und Entwicklungschancen.
Dies führt zum nächsten Widerspruch: Der Fokus des Volksgruppenrechts und der Volksgruppenförderung liegt auf der „Erhaltung und Sicherung des Bestandes der Volksgruppen, ihres Volkstums sowie ihrer Eigenschaften und Rechte“ (Volksgruppengesetz, BG BGBl. 396/1976 in der Fassung der Kundmachung BGBI Nr. 24/1988, § 3.1). Bei aller Kritik an der Terminologie und der terminologischen Herkunft bekennt sich die Republik – so wie auch in der entsprechenden Staatszielbestimmung – damit erfreulicherweise zum Wert soziokultureller Vielfalt und zur Erhaltung und Förderung von Mehrsprachigkeit. Eine gegenteilige Haltung charakterisiert allerdings die Integrationspolitik des Bundes: Hier steht die Anpassung an den österreichischen „way of life“ – ein Konstrukt, das bisher niemand definiert hat – und das Erlernen des Deutschen im Vordergrund. Nicht, dass irgendetwas gegen den Erwerb der lingua franca spräche, doch Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt als Wert und Ressource finden sich in diesem Diskurs nicht. Im Gegenteil: Geht es um entsprechende Vorstöße, ist schnell von der Gefahr der Entwicklung von „Parallelgeselslchsften“ die Rede. Somit entsteht eine seltsame Schieflage, die etwa von der Fuldaer Politikwissenschafterin Gudrun Hentges wie folgt kommentiert wird:
„Weder historisch noch aktuell stand bzw. steht die (österreichische, B.P.) Volksgruppenpolitik im Widerspruch zu Rassismus, Antisemitismus oder Antiziganismus. In dem Maß, in dem völkisch verstandene Minderheitenpolitik die „Heimat“, das „Verwurzeltsein“, die Generationenabfolge innerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes, die „autochthonen Volksgruppen“, die kulturelle Identität somit letztlich Prinzipien von „Blut und Boden“ als zu verteidigende Werte stilisiert, wendet sie sich gegen Zuwanderer, Migrant(inn)en, Flüchtlinge sowie gegen Einwanderung und Mobilität, also die Folgen der Globalisierung. (….) Politisch hat die österreichische Volksgruppenpolitik die Funktion, nur den „Vorzeigeminderheiten“, also einer sehr kleinen Zahl anerkannter Volksgruppen, Minderheitenrecht zuzugestehen, der weitaus größeren Gruppe von Migrant(in)enn österreichischer und nichtösterreischischer Staatsangehörigkeit jedoch elementare Bürgerrechte zu verweigern.“ (Hentges 2006, S., 219).
Harte Worte, gewiss. Doch sie entsprechen meiner Erfahrung dem Bild, das ein großer Teil der internationalen Migrations- und MinderheitenforscherInnen von Österreich haben.
Gibt es Wegweiser aus diesem Spannungsfeld?
Ich denke doch, wendet man den Blick auf die in den letzten Jahren im internationalen Bereich und in Österreich vor allem auf der Ebene der Bundesländer entwickelten Zugänge eines neuen Umgangs mit gesellschaftlicher Vielfalt. Dort ist ein deutlicher Rückzug aus ethnischen Konzepten hin zu einem neuen Verständnis soziokultureller Diversität außerhalb enger und einschränkender Gruppenkonzeptionen zu beobachten. Auf internationaler Ebene spricht z.B. die UNESCO-Konvention zum Schutz der Vielfalt des kulturellen Ausdrucks von kultureller Vielfalt als gemeinsamem Erbe der Menschheit und beschreibt sie als Erweiterung der Freiheitsspielräume des Einzelnen, , in Österreich haben z.B. die Bundesländer Wien und Oberösterreich in ihrem Selbstverständnis der Anerkennung und Förderung soziokultureller Diversität hohen Stellenwert eingeräumt.
So heißt es z.B. im Integrationsleitbild des Landes Oberösterreich:
Vielfalt bedeutet Chancen. Unsere modernen, ökonomisch entwickelten, durch Migration und Zuwanderung geprägten Gesellschaften kennzeichnen sich durch eine große Vielfalt an sozialen Gruppen, Schichten, Milieus, Lebensstilen und Kulturen aus. (….) Vielfalt leben bedeutet, die Pluralität unserer Gesellschaft anzuerkennen und die damit einhergehenden Potentiale für das gemeinsame Fortkommen kreativ fruchtbar zu machen. (….) In einer modernen Gesellschaft bedeutet Vielfalt daher eine Chance, den immer wieder neuen Veränderungen, die sich aus lokalen wie auch globalen Entwicklungen ergeben, mit Mut und Kreativität zu begegnen. (Amt der Oberösterreichischen Landesregierung 2008,, S. 7).
Im Gegensatz zu ethnizitätsorientierten Zugängen mit der ihnen eigenen Schließungsdynamik liegt der Fokus dieser Ansätze auf der Ermöglichung einer möglicht großen Vielfalt kultureller Produktion und der Förderung von kultureller und sprachlicher Kompetenz. Kultur ist im Diversitätsparadigma nicht mehr die Erscheindungsform einer ethnischen Gruppe oder eines Volkes oder Marker zur Abgrenzung, sondern ein sich vielfach gebrochene und vielfach vernetzte Form der Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Realität. Die beste theoretische Fundierung dieses Zugangs findet sich im Konzept der Transkulturalität von Wolfgang Welsch (1992): Kulturen sind heute nicht mehr räumlich abgegrenzt und sich geschlossen, interne Differenzierungen genauso wichtig und vielfältig wie externe. Sowohl Individuen wie Gruppen werden durch eine Pluralisierung von Identitäten gekennzeichnet, und während es in allen Gesellschaften und Gruppen gibt es unterschiedliche Identitätsformen gibt, finden sich genauso vergleichbare Identitätsformen gibt es in mehreren Gruppen und Gesellschaften. Menschen sind heute „kulturelle Mischlinge“ mit hybriden, wechselnden und immer wieder neu zusammengesetzten Identitäten, die vielmaschig miteinander vernetzte sind. Dieser Blickwinkel legt den Fokus nicht auf Divergenz, sondern auf Ähnliches und die Suche nach Anschlussmöglichkeiten: „Stets gibt es im Zusammentreffen mit anderen Lebensformen nicht nur Divergenzen, sondern auch Anschlussmöglichkeiten. Solche Erweiterungen, die auf die gleichzeitige Anerkennung unterschiedlicher Identitätsformen innerhalb einer Gesellschaft zielen, stellen heute eine vordringliche Aufgabe dar.“, folgert Welsch aus seiner Analyse (1992, S.9).
Was bedeuten diese Überlegungen für eine Reform des österreichischen Volksgruppenrechts?
Ich denke, die Schlüsselbegriffe für eine Reform heißen „Potential“, „Mehrsprachigkeit“ und „Diskriminierungsschutz“.
Betrachtet man die soziologische Realität der österreichischen Volksgruppen, so ist der wesentliche kulturelle Marker die Zweisprachigkeit. Volksgruppenzugehörigkeit heißt heute vor allem Zweisprachigkeit und damit, über eine größere Sprachkompetenz zu verfügen als die Mehrheitsbevölkerung. Diese Situation findet sich auch in anderen Regionen Europas: Ob Kärntner Slowenen, Dänen in Deutschland, Bretonen oder Waliser, alle Minderheiten zeichnet heute die Kenntnis der Minderheiten- und Mehrheitssprache aus, sie verfügen also über mehr und nicht über weniger Kommunikationsmittel als ihre „mehrheitlichen“ Mitbürger.
Der Diskurs über „Volksgruppen“, die Selbst- und Fremdbezeichnung der Minderheiten sowie die öffentliche und auch oft die Selbstwahrnehmung fokussieren jedoch noch auf exklusive ethnische Zugehörigkeit, nicht auf Mehrsprachigkeit und bleiben damit in den auf Abgrenzung hin orientierten nationalen Kategorien des 19. Jahrhunderts gefangen.
Diese Ethnofalle ist nicht nur für den Nationalstaat, sondern auch für die Minderheiten bequem: Beide können über gegenseitige Abgrenzung sich ihrer Identität vergewissern und müssen neue, ihr traditionelles Selbstverständnis in Frage stellende Entwicklungen nicht reflektieren. Der Preis dafür ist hoch, denn der Fokus auf Ethnizität statt auf Sprache lässt das Potential der Mehrsprachigkeit in den Hintergrund treten und lenkt stattdessen den Blick auf Abgrenzung und Gruppenzugehörigkeit und die damit verbundenen Symbolismen. Zweisprachige Ortstafeln, die in aufgeklärten Regionen Europas als stolzes Zeichen für interkulturelle Kompetenz einer Bevölkerung gelten, werden dann zum Symbol der Grenzbedrohung durch den EU-Nachbar phantasiert, und anstatt sich der Herausforderung Zweisprachigkeit zu stellen, prägt die anale Lust am Slowenenzählen die Debatte.
Abgrenzungskonflikte folgen meist der Logik des Nullsummenspieles, das nur Gewinner und Verlierer kennt. Ein potentialorientierter Ansatz muss die diabolische Verbindung von Sprachkompetenz von Identitätsdiskursen lösen und auf den Kompetenzgewinn der Zweisprachigkeit setzen, um ethnische Festlegungen zu unterlaufen. Die zunehmende Verflechtung der europäischen Wirtschaftsräume und die Globalisierung lassen die nie sehr sympathische Idee der kulturellen Homogenität in einem Territorium als überholt erscheinen. Unter diesen Bedingungen bekommen Sprach- und Kulturkompetenz eine neue Bedeutung: Vielfalt wird wieder zu einem Wert, Einsprachigkeit zum Symbol für Rückständigkeit. Minderheiten bekommen damit eine Chance zur Neudefinition ihres Selbstverständnisses: Anstatt des ethnisch-national definierten Bezugs zu einer lokalen Konfliktgeschichte kann das Mehr an Sprachkompetenz, das die Minderheitensituation mit sich bringt, positiv als Kriterium für ein Selbstverständnis als europäische Elite dienen.
In einer zweisprachigen Familie und einem die Zweisprachigkeit fördernden Schulsystem aufzuwachsen, bedeutet ein Mehr an Sprachfähigkeit und interkultureller Kompetenz, das für einsprachig aufwachsende Menschen nur schwer nachholbar ist. Anders als der Nationalismus des 19. und 20. Jahrhunderts, setzt der Prozess der europäischen Integration nicht auf kulturelle Homogenisierung, sondern auf Stärkung der kulturellen Vielfalt als Potential und Ressource Europas. Die Sprachen der anerkannten Volksgruppen sind zudem oft auch die Sprachen der österreichischen Nachbarländer, dem erweiterten Heimmarkt vieler österreichischer Konzerne. Ihre Kenntnis ist daher auch ökonomisch ein wichtiges Asset. Dies bedeutet aber auch, dass der Erhalt der Sprachkompetenz und die Sprachweitergabe zu einem Kernthema für die Europäisierung der österreichischen Volksgruppenpolitik werden müssen.
Neben dem gesellschaftlichen, oben entwickelten Argument für die Stärkung der Mehrsprachigkeit liefert auch die moderne Kognitionsforschung massive Argumente für die Förderung zweisprachigen Aufwachsens. Wie eine Reihe rezenter Studien (Bialystock, Craik, Klein, Viswanathan 2004; siehe auch die Auflistung Liste in Feng, Bialystock, Diamond 2009) gezeigt hat, entwickeln Kinder, die zweisprachig aufwachsen, einen höheren Kompetenzlevel bei den so genannten „exekutiven Funktionen“, also jenen Hirnfunktionen, die dazu nötig sind, um Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, aus einer Vielfalt von Informationen die relevanten herauszufinden und kompetent Entscheidungen zu treffen. Bilingual aufwachsende Kinder sowie Erwachsene, die bilingual aufwuchsen, zeigen eine höhere kognitive Flexibilität als Monolinguale und schneiden bei Tests, bei denen es darum geht, widersprüchliche Aufmerksamkeitsanforderungen zu erfüllen, besser ab (Carlson, Meltzoff 2008). Ebenso gibt es Hinweise darauf, dass die Gedächtnisleistung bei bilingual sozialisierten Menschen höher ist als bei Monolingualen. Diese Fähigkeiten können zudem im Lauf des Lebens erhalten zu bleiben (Bialystock/Martin 2004).
Offenbar führt also ein zweisprachiges Aufwachsen zu einer frühen und prägnanteren Ausbildung von steuernden und für die kognitive Effizienz hochrelevanten Hirnaktivitäten. Dies schlägt sich auch in der Hirnentwicklung nieder: Bilingual Aufgewachsene zeigen im CRT dichtere Verbindungen zwischen dem präfrontalen Cortex, dem anterior Gyrus cinguli, dem Gyrus angularis und dem Lobus parietalis – Regionen, die für das mathematische und das metasprachliche Verständnis relevant sind (Abutalebi und Green 2007, zit nach Bialystock 2009, S.7) als Einsprachige – zweisprachiges Aufwachsen scheint sich also auch in einer verbesserten Ausbildung wichtiger Hirnfunktionen niederzuschlagen.
Ich verfüge als Sozialwissenschafter nicht über die nötige Ausbildung, um die biologische und medizinische Dimension bilingualer Sozialisation ausreichend zu verstehen und zu erklären und kann hier dazu nur – durchaus mit Faszination – Angelesenes präsentieren. Dennoch scheinen mir diese Hinweise doch ein ausreichendes Motiv dafür zu sein, ernsthaft den offenbar sehr positiven Auswirkungen bilingualen Aufwachsen auf kognitive Funktionen nachzugehen und eine Politik zu entwickeln, die eine zweisprachiges Aufwachsen in der Familie und im Bildungssystem massiv fördert. Eine wertschätzende Umgebung, die Zweisprachigkeit in der Öffentlichkeit auch symbolisch sichtbar macht, wäre eine wesentliche Unterstützung dabei.
Dieser Fokus auf Bilingualität bedeutet auch eine Trennung von Sprachkompetenz von ethnischer Identität. Identitätsbildung und -veränderung ist in einer modernen Gesellschaft eine Aufgabe jedes Individuums, das sich gefordert sieht, sich selbständig zu seiner Herkunft und den Traditionen seiner Familie zu verhalten – Art und Intensität von Gruppenzugehörigkeit und Identifikation sind heute, anders als vor hundert Jahren, eine persönliche Entscheidung und nicht von außen vorgebbar.
Die wachsende Vielfalt und Hybridität in der Gesellschaft macht Diskriminierungsschutz zum zweiten zentralen Element eines modernen Ethnizitätsverständnisses. Die Teilhabe an der Gesellschaft erfolgt heute dominant über Märkte und staatliche Einrichtungen, nicht über gemeinschaftlich verfasste Solidarstrukturen. Einem gleichberechtigten Zugang zu Märkten und gesellschaftlichen Systemen kommt daher besondere Bedeutung zu. Diskriminierung beim Zugang zu Ressourcen und entwürdigenden Behandlung aufgrund von Herkunft und Gruppenzugehörigkeit reduzieren nicht nur die Verwirklichungschancen des Einzelnen, sondern stehen auch im Widerspruch zu den Grundprinzipien des europäischen Einigungsprozesses, der Schaffung eines gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem jeder Einzelne gleiche Chancen und Rechte bei der Teilhabe an Wirtschaft und Gesellschaft vorfindet.
Auf europäischer Ebene kam es daher auch in den letzten Jahren zur Entwicklung eines klar ausformulierten Antidiskriminierungsacquis, der einen individualrechtlichen Schutz vor Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft umfasst. Die Umsetzung in Österreich ist, wie die letzten Berichte der Europäischen Kommission zeigen, insbesondere in Bezug auf den Zugang zu und der Funktion von Schutzeinrichtungen verbesserbar. Eine Reform des Volksgruppenrechts wäre gut beraten, klare und durchsetzbare Antidiskriminierungsbestimmungen zu umfassen.
Eine gruppenrechtlich fundierte Minderheitenpolitik, die bestimmte Rechte auf Minderheitenangehörige beschränkt, ist mit den Grundparadigmen von Gleichbehandlung und Diskriminierungsschutzes nur schwer zu vereinbaren: Wie der EuGH im Urteil Bickel/Franz (EuGH C 274/96) festgelegt hat, haben alle UnionsbürgerInnen das Recht, in Südtirol in deutscher Amtssprache mit den Behörden zu kommunizieren, nicht nur deutschsprachige Südtiroler. Die Gleichheitsverpflichtungen aus dem EU-Acquis sind höherrangig zu bewerten als nationales Minderheitenrecht. Ein zukünftiges Volksgruppenrecht muss sich dieser Herausforderung bewusst sein.
Eine andere Perspektive sehe ich bei der Frage der Amtssprache und des Sprachgebrauchs vor Gericht. Hier geht es vor allem um die Frage der Anerkennung im symbolischen Raum. Es gibt m.W. keine menschenrechtlich haltbare Argumentation auf das Recht, in seiner Muttersprache mit den Behörden zu kommunizieren. In einer globalisierten und mehrsprachigen Gesellschaft werden die Behörden in ihrem eigenen Interesse Informationen mehrsprachig anbieten und am „front end“ auch dafür sorgen, entsprechend sprachkompetente MitarbeiterInnen zur Verfügung zu haben. Intern ist die Reduktion auf eine oder vielleicht zwei linguae francae eine Grundvoraussetzung für Effektivität. Auch in der EU sind de facto Französisch und Englisch die internen Amtssprachen, und die Mehrsprachigkeit nach außen fumktioniert nur, weil es keinen Parteienverkehr gibt und sie auf die schriftliche Ebene beschränkt ist.
Beim Gebrauch der Volksgruppensprachen vor Amt und Gericht geht es nicht mehr um die kommunikative Funktion der Sprache – die Volksgruppenangehörigen sind zumindest zweisprachig – sondern um die Sichtbarkeit im Leben des Staates und die Dokumentation eines besonderen historisch-politischen Verhältnisses zu diesem, das Einwanderergruppen (noch) nicht haben. Damit wird eine Zone der Anerkennung in der Öffentlichkeit geschaffen, die funktional gesehen, Sprachkenntnis aufwertet und verwertbar macht und bei Kontakten mit der Obrigkeit als gleichwertig dokumentiert. Ob und wann diese Argumente auch für andere Sprachen gelten sollen, kann hier nicht weiter diskutiert werden – die massiven demographischen Veränderungen, die in Europa zur Zeit zu beobachten sind, werden diese Frage eher früher als später virulent machen.
Allerdings ist die Geltung dieser Regelung auf ein sehr kleines Territorium beschränkt. Aus grundlegenden Gleichheitsüberlegungen sollte hier eine Ausdehnung auf das gesamte Staatsgebiet überlegt werden, denn warum sollte ein Wien lebender Kärntner Slowene seine Steuererklärung nicht auf Slowenisch einbringen können, ein in Bleiburg/Pliberk lebender jedoch schon. Der Großteil der entsprechenden Amtshandlungen erfolgt schriftlich bzw. nach einer Terminvereinbarung, ist also entweder über Übersetzungsdienste bzw. bei Bedarf Beiziehung eines Dolmetsches abwickelbar. Ausgenommen davon sind jedoch von ihrer Art her sofort durchzuführenden Amtshandlungen, etwa eine Verkehrsknotrolle, denn es ist schlicht praktisch nicht möglich, überall Polizisten mit Sprachkompetenz in den Volksgruppensprachen zurr Verfügung zu haben.
Gleichzeitig muss man allerdings auch sehen, dass die Kontakte mit Ämtern, Behörden und Gerichten eher seltene Ereignisse sind. Die Sichtbarkeit von Mehrsprachigkeit im Alltag braucht den privaten Bereich zumindest gleich, wenn nicht mehr. Quebec wirkt nicht umsonst auch deshalb durchgängig zweisprachig, weil auch alle Geschäftsschilder und Speisekarten zweisprachig sind. Mehrsprachigkeit bei Ämtern und Gerichten soll also nicht davon ablenken, dass der öffentliche Bereich deutlich größer ist als die Welt der Ämter und Behörden und die meisten Menschen deutlich häufiger ein Gasthaus oder Restaurant aufsuchen als ein staatliches Amt oder ein Gericht.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen: In vormodernen Gesellschaften war Gruppenzugehörigkeit Schicksal, nun erlaubt die Individualisierung eine punktuelle und situativ wechselnde Besetzung von identitätsstiftenden Elementen wie Herkunftssprache(n) oder Land der Geburt. Während ein Denken in Volksgruppenkategorien Identität noch an Sprache und Herkunft festmachen wollen, sehen immer mehr Menschen Mehrsprachigkeit vor allem als Kompetenzerweiterung, nicht als Marker für Gruppenzugehörigkeit und lehnen derartige Zuschreibungen ab. Diese Entkoppelung von Gruppenzugehörigkeit und Sprachkompetenz ist eine Chance für die Zukunft, die vor allem jene Länder werden nützen können, die Mehrsprachigkeit durch ein entsprechendes Schulwesen und eine offene, wertschätzende und fördernde Atmosphäre fördern und die Mehrsprachigkeit in ihren Institutionen leben. Dazu gehört auch die Anerkennung der Sprache in Ämtern, Behörden und Gerichten und ihre Repräsentation in der Welt der Symbole und Aufschriften. Wer im Gegensatz dazu Slogans wie „Kärnten wird einsprachig“ plakatiert, führt sein Land direkt in den Ruin.
Ein modernes Verständnis von Ethnizität ist also gut beraten, vor allem an den Elemente der Kompetenzerweiterung, die mit ethnischen Gruppenbildungen assoziiert sind, anzuknüpfen. Für die österreichische Volksgruppenpolitik bedeutet dies meiner Ansicht nach eine kritische Neubestimmung des Volksgruppenbegriffs im Rahmen eines konzeptionell stringenten Gesamtkonzepts für eine Diversitätspolitik in Österreich. Diese wird die verschiedenen Aspekte soziokultureller Vielfalt berücksichtigen und ein Kontinuum abgestufter und miteinander verknüpfter Rechte anbieten müssen. Ich hoffe, dass meine Überlegungen dazu einen kleinen Beitrag leisten konnten und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Literatur:
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